The Artist & The Pervert

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Zwei Menschen. Er ist Komponist, sie feministische Aktivistin, er ist weiß, sie schwarz, er ist Herr, sie Sklavin und leben in einer glücklichen, liebevollen Beziehung. Bewusst mit Irritationen spielt die Dokumentation „The Artist & The Pervert“ von Betarice Behn und René Gebhardt, die eine BDSM-Beziehung als das schildert, was sie für die beiden Beteiligten ist: Ganz normal.

Webseite: artistandpervert.com

Dokumentation
Deutschland 2018
Regie: Betarice Behn & René Gebhardt
Länge: 96 Minuten
Verleih: eksystent
Kinostart: 30. Mai 2019

FILMKRITIK:

Der Österreicher Georg Friedrich Haas gilt als einer der wichtigsten Komponisten aus dem Bereich der Neuen Musik. Sein Stück „In Vain“ bezeichnen Dirigenten wie Simon Rattle als eines der großen Meisterwerke des 21. Jahrhundert. Er ist Sohn von erzkonservativen Eltern, die während des Dritten Reichs mehr als Sympathien für den Nationalsozialismus hatten, wurde als Kind geschlagen und bezeichnet sich selbst als Feminist.
 
So wie auch Mollena Willams, schwarze Amerikanerin aus New York, Autorin, Performerin, Sexualpädagogin. Jahrzehnte lang lebten beide in wechselnden Beziehungen, die allesamt scheiterten, bis sie einander fanden und eine BDSM-Beziehung begannen. Haas betrachtet Williams als seine Sklavin und Muse, die ihm rund um die Uhr zur Verfügung steht, die er aber auch versorgt. Williams wiederum genießt ihre Rolle, unterwirft sich den Wünschen Haas und findet in ihrer Rolle absolute Befriedigung.
 
Bei vielen Menschen dürfte die spezielle Beziehung, die Haas und Williams führen, gelinde gesagt Irritationen auslösen. Zumal das Paar seine Leidenschaft bewusst offen lebt und keinen Hehl aus der besonderen Form ihres Zusammenlebens macht. Auf den sozialen Medien, auf denen gerade Williams besonders präsent ist, schlagen ihnen oft Unverständnis, Ekel, ja, Hass entgegen. Gerade dass hier ein weißer Mann eine schwarze Frau dominiert, sorgt für Unverständnis, auch dass sich eine Frau, die sich als Feministin definiert, auf eine Form der Beziehung einlässt, die oberflächlich betrachtet patriarchalische Machtstrukturen spiegelt.
 
Doch so einfach ist es nicht und davon erzählt die Dokumentation „The Artist & The Pervert“ für die Betarice Behn und René Gebhardt das Paar ein Jahr lang begleiteten. Und dabei vor allem ein inniges Paar kennenlernten, das einen liebevollen, zärtlichen Umgang miteinander pflegt, das reflektiert und bewusst mit ihrer besonderen Form der Beziehung umgeht.
 
Besonders das Haas als Vertreter der Neuen Musik seine Sexualität so offen lebt, hat vielerorts für Irritationen gesorgt, doch gerade das beispielhafte seiner Rolle scheint für Haas ein Grund zu sein, so offen zu leben und auch diesem sehr privaten Filmprojekt zuzustimmen. Williams dagegen hat schon immer offen über ihre Sexualität, in Performances und Experimentalfilmen über ihre Neigungen gesprochen und damit auch bewusst provoziert.
 
Gerade in der gegenwärtigen #MeToo-Welt wirkt diese spezielle Beziehung auf viele Außenstehende so irritierend. Gerade dass Williams die Nachfahrin von schwarzen Sklaven ist, dass Haas Eltern Nazis waren, scheint althergebrachte Machtstrukturen zu bestätigen. Doch so einfach ist es nicht. Zwar ist „The Artist & The Pervert“ auch ein lose biographischer Film, doch vor allem ist es ein unterschwelliges Plädoyer für Toleranz und Akzeptanz für ein Paar, das zwar nicht den normativen Vorstellungen entsprechend lebt, aber eine innigere, liebevollere und vor allem einvernehmliche Beziehung führt, als viele andere Paare.
 
Michael Meyns