The Book of Clarence

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Es ist ein hochgradig ungewöhnlicher Film, den Autor und Regisseur Jeymes Samuel hier abgeliefert hat. Er zeigte seine unkonventionelle Erzählweise schon beim Western „The Harder They Fall“, seine alternative Bibelgeschichte um Clarence, der sich zu Zeiten Jesu zum neuen Messias aufschwingt, ist aber noch sehr viel eigenwilliger. In gewisser Weise ein filmisches Schlamassel, aber eines, das Szenen puren Goldes enthält.

Webseite: https://www.sonypictures.de/

USA 2024
Regie: Jeymes Samuel
Buch: Jeymes Samuel
Darsteller: LaKeith Stanfield, Omar Sy, Anna Diop, James McAvoy, Benedict Cumberbatch

Länge: 129 Minuten
Verleih: Sony
Kinostart: 22. Februar 2024

FILMKRITIK:

33 nach Christus. Clarence möchte ein Jemand und kein Niemand sein. Er denkt darüber nach, es seinem Bruder gleichzutun und Jesus Christus‘ 13. Apostel zu werden. Doch wieso Apostel, wenn man auch Messias sein kann? Clarence beginnt zu predigen und Wunder zu wirken – alles natürlich Lug und Trug, aber den Messias zu spielen, verändert etwas in Clarence, während die Römer den Befehl haben, jeden selbsternannten Messias ans Kreuz zu schlagen …

Der Film beginnt mit Clarence am Kreuz. Es ist ein Bild, das an den Schluss von Monty Pythons „Das Leben des Brian“ erinnert. Man erwartet fast, dass Clarence und die anderen Gekreuzigten zu singen beginnen. Dann kehrt der Film an den Anfang zurück, zeigt ein Wagenrennen quer durch Jerusalem und offenbart bereits seine tonale Zerrissenheit. Der Film hat Humor – mal durch Dialoge, mal durch Situationskomik bedingt. Aber er ist keine Komödie. Er ist auch kein Abenteuer. Er ist ein Drama, aber eben auch nicht nur das. Im Grunde ist „The Book of Clarence“ alles und nichts. Jeymes Samuel hat einen faszinierenden Film erschaffen, für den ihm 40 Millionen Dollar und ein namhaftes Ensemble zur Verfügung standen. Eingespielt hat der Film in den USA weniger als fünf Millionen. Weil nie klar ist, an wen er sich eigentlich richtet.

An ein schwarzes Publikum? Ein christliches Publikum? Oder gar den Cineasten, der eine filmische Herausforderung sucht. Es ist schwer, den Film einzuordnen. Er ist Samuels Versuch, sich der eigenen Religion zu stellen. So mutet der Film zumindest an. Er zeigt drei Versionen des Messias – den wahren Jesus, einen Jesus, wie er auf christlich geprägten Gemälden zu sehen ist, und einen falschen Messias. Und doch sind die Grenzen fließend. Denn der wahre Jesus wirkt Wunder, aber auch der weiße Jesus vermag mehr als einem Menschen möglich ist. Und der falsche Messias zeigt ein Wunder, das nur zementiert, dass er begonnen hat, sich nicht mehr als Betrüger und Scharlatan zu fühlen, sondern wirklich zu dem zu werden, was er vorgibt zu sein.

Samuel inszenierte mit Verve. Er stellt das Gemälde vom letzten Abendmahl nach, folgt dem Wege Christus, wie er in der Bibel beschrieben ist und legt alles auf Clarence um – so wie „Das Leben des Brian“. An Brians Mutter muss man auch denken, als sie der Menschenmasse sagte: „He’s not the messiah, he’s a naughty boy“. Nichts passt besser auf Clarence. Der Film mag so etwas wie eine Verbeugung vor Monty Python sein. Vielleicht aber auch nicht. Er ist schwer greifbar, weil er seine Figuren echte Wunder zeigen und erleben lässt – auch sehr schön dargestellt durch Omar Sys Figur, einem Ex-Gladiator und Bodyguard von Clarence, der sich sicher ist, dass er unsterblich ist.

Die Schauspieler sind durch die Bank hervorragend, die Dialoge, die Samuel ihnen liefert, sind Gold für sie. Sie tragen den Film auch, wenn er mäandert und vom Weg abkommt, was bei gut zwei Stunden und einer Unterteilung in drei Bücher mehrmals der Fall ist. Man könnte „The Book of Clarence“ als gescheitert ansehen, finanziell sowieso, aber auch künstlerisch. Doch das würde dem Film nicht gerecht, weil in ihm auch eine tiefgehende Aussage darüber steckt, nicht falschen Göttern und deren Messias zu folgen. Zugleich verzweifelt er über die Leichtgläubigkeit der Menschen, die vor 2.000 Jahren nicht anders als heute war.

 

Peter Osteried