The Pod Generation

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Die beste Science-Fiction erzählt nicht von der Zukunft, sondern von der Gegenwart. Sie denkt weiter, was momentan ist und sie setzt diese Gedanken in Korrelation mit dem, was sein könnte. Das wird häufig für dystopische Geschichten genutzt, Sophie Barthes‘ „The Pod Generation“ ist das aber nicht. Dies ist die Geschichte davon, wie die Zukunft des Kinderkriegens aussehen kann – und was dieser technologische Fortschritt für den Menschen bedeutet.

Website: https://splendid-film.de/kino

Großbritannien 2023
Regie: Sophie Barthes
Buch: Sophie Barthes
Darsteller: Emilia Clarke, Chiwetel Ejiofor, Vinette Robinson

Länge: 111 Minuten
Verleih: Splendid
Kinostart: 5. Oktober 2023

FILMKRITIK:

Die nahe Zukunft: Rachel (Emilia Clarke) ist in ihrem Job sehr erfolgreich. Man befördert sie und bietet sogar an, finanziell zu helfen, wenn sie Mutter werden will. Denn in dieser Welt müssen Frauen nicht mehr schwanger werden, die Babys können in Pods wachsen, bis es Zeit ist, geboren zu werden. Ihrem Mann Alvy (Chiwetel Ejiofor) gefällt der Gedanke nicht besonders. Er hadert ohnehin mit der übertechnologisierten Welt, in der selbst für die einfachsten Pflanzen kein Platz mehr ist – ein Horror für den Botaniker, der immer wieder versucht, seinen Studenten ein Verständnis für das zu geben, was die Menschheit längst verloren hat: einen Bezug zur Natur.

Man könnte „The Pod Generation“ auch als eine überlange Folge der Netflix-Serie „Black Mirror“ sehen. Dort denkt man auch konsequent weiter, wie heutige Technologie in der Zukunft aussehen könnte. Sophie Barthes erkundet das nicht nur anhand des Pods. Sie baut auch andere Szenen in ihren Film ein. Etwa, wenn Verkäufern ein elektronischer Assistent zur Seite gestellt wird, weswegen die Frage aufkommt, ob sie dann nicht selbst redundant werden würden. „Fortschritt hat noch nie jemanden redundant gemacht“, erklärt die Vorgesetzte. Ein Moment, in dem man – ein bisschen bitterlich – lachen muss.

Der Film funktioniert aber auch in anderer Hinsicht. Immer wieder erkennt die K.I., wie es Rachel geht – und das nur aufgrund ihrer Stimmlage. Das ist eine Technik, die heute längst da ist, im Film aber natürlich perfektioniert daherkommt. Aber das große Thema ist die Fortpflanzung, die nicht revolutioniert, sondern technologisiert worden ist. Dass der Pod wie ein Ei aussieht, ist dabei gewollt.

Faszinierend ist aber, wie der Umgang mit dem Pod wirkt. Während Rachel Schwierigkeiten damit hat, eine Beziehung zu ihrem werdenden Kind aufzubauen, gelingt das Alvy gut. Er erlebt die Zeit der Schwangerschaft, wie es bislang nur Müttern vorbehalten war. In einer Szene spricht Rachels Freundin davon, dass Männer einen Uterus-Neid besitzen (als Gegenstück zum propagierten Penis-Neid der Frauen). Der Film greift das auf – subtil, aber gelungen. Denn Alvy erlebt die Schwangerschaft, wie es sonst nur eine Frau erleben konnte. Hier findet ein kompletter Rollentausch statt, den man aber auch nutzt, um die Frage danach zu stellen, was es in einer solch technologisierten Welt heißt, ein Mensch zu sein.

„The Pod Generation“ ist ein zurückhaltender Film. Leicht erzählt, unaufgeregt, immer wieder mit ein wenig witzig, was sich vor allem aus der Situation ergibt. Der Film ist im besten Sinne ein menschliches Drama, weil er eine zutiefst menschliche Geschichte erzählt, aber es schafft, eine frische Perspektive einzunehmen. Ein kleiner, wirklich feiner Film, der zum Nachdenken über den Platz des Menschen in einer Technokratie anregt.

Peter Osteried