Touched

Das experimentelle romantische Drama „Touched“ erzählt von einer Pflegerin, die mit ihrem querschnittsgelähmten Patienten eine verbotene Beziehung eingeht. Auf einer Seite eine mollige junge Frau, andererseits ein körperlich behinderter Mann. Der Film zeigt Intimität, erotischen Entdeckungsdrang und Begehren zwischen zwei Menschen, die den „gängigen“ gesellschaftlichen Vorstellungen von Sexualität und Körperlichkeit zuwiderlaufen. „Touched“ ist ein unkonventionelles, mutiges Werk, das künstlerisch stark durchkomponiert ist und aufgrund einiger drastischer Szenen lange nachhallt.

Deutschland 2023
Regie: Claudia Rorarius
Buch: Claudia Rorarius
Darsteller: Isold Halldórudóttir, Stavros Zafeiris, Angeliki
Papoulia, Yousef Sweid
Länge: 134 Minuten
Verleih: Cologne Cine Collective
Kinostart: 02. Mai 2024

FILMKRITIK:

Von Anfang an steht die Verbindung zwischen Maria (Isold Halldórudóttir) und Alex (Stavros Zafeiris), einem Musiker, unter keinem guten Vorzeichen. Denn allein schon die Konstellation ist, zumindest, „kompliziert“. Immerhin ist Maria die Betreuerin des querschnittsgelähmten Künstlers. Sie kümmert sich um ihn und unterstützt ihn in seinem Alltag. Dennoch ist die gegenseitige Anziehungskraft der beiden so stark, dass sie es miteinander versuchen wollen. Von gesellschaftlichen Verboten oder der Meinung anderer wollen sie sich nicht einschüchtern lassen.
In ihrer entschleunigten, langsamen Erzählung schildert Regisseurin Claudia Rorarius diese ungewöhnliche Liebesbeziehung zwischen Maria und Alex. Alles beginnt sehr zaghaft und gemächlich im Pflegeheim, in dem sich die beiden Außenseiter zunehmend näherkommen. In die rein pflegerischen Tätigkeiten, wie zum Beispiel dem Waschen oder Anziehen, schleichen sich mehr und mehr zärtliche Berührungen und Momente der subtilen, unterschwelligen Erotik.
Im Laufe der Zeit begleitet der Zuschauer das ungleiche Paar auch zu Ausflügen ins Freie, etwa an einen See, oder in die Wohnung von Maria. „Touched“ zeigt zwei Menschen beim Erkunden ihrer Gefühle füreinander, beim Experimentieren und dem Ausleben ihrer Sexualität. Zwei Protagonisten, die eben nicht dem typischen (oberflächlichen) Ideal unserer gefilterten Social-Media-Welt entsprechen. Eine gesellschaftlich erwünschte Attraktivität oder körperliche Makellosigkeit, ohne Fehl und Tadel? Dies existiert hier nicht. Zum Glück, denn es wäre nicht das wahre Leben.
Einige Szenen in „Touched“ sind bewusst sehr freizügig und explizit, wobei sich dies nicht nur auf die intimen Momente, darunter eine Masturbationsszene, bezieht. Das gilt nicht zuletzt für einige Verhaltensweisen von Alex (feinfühlig und intensiv: Stavros Zafeiris), dessen Verzweiflung und Demütigungsdrang ab einem bestimmten Zeitpunkt zunehmen. Von unüberlegten Aktionen, aus denen gänzlich die Hilflosigkeit spricht, über halbherzige Suizidversuche bis hin zum Wunsch nach der Beschaffung von Medikamenten: Das Bild, das der Film von Alex‘ fragilem Gefühlsleben vermittelt, ist unverfälscht und drastisch.
Außerdem ist es nicht immer einfach, sich emotional in die weibliche Hauptfigur hineinzuversetzen. Bisweilen bleibt einem Maria etwas fremd, ihr wahrer Charakter erschließt sich nur vage und zaghaft. Zumal sie, so der Eindruck, die körperliche Überlegenheit ihrem Freund gegenüber manchmal richtiggehend auszukosten scheint. Oder ist es ihre Art, mit Alex‘ wankelmütigem Charakter, den Erniedrigungen und seiner emotionalen Instabilität umzugehen?
Passend zur betulichen Erzählweise setzt Rorarius meist auf eine bedächtige Kameraführung mit langen Einstellungen und ohne hektische Schnitte. Dem passt sich das fein abgestimmte Setdesign mit den gut durchdachten Farbkompositionen der Hintergründe und Kulissen wunderbar an. Was ins Auge sticht, ist die Farbgebung der Wände und Tapeten, zum Beispiel in den Wohnungen der Protagonisten. Kontrastreiche, starke und komplementäre Farbtöne, die sich – gegenüberliegend – zum Leuchten bringen können. Symbolisch kann man diesen Aspekt auf die Verschiedenartigkeit der Hauptfiguren übertragen, die sich ebenfalls gegenseitig befeuern und voneinander profitieren. Allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum.

Björn Schneider