U-Carmen

(U-Carmen eKhayelitsha)
Regie: Mark Domford-May
Buch: Mark Domford-May, Ross Garland, Pauline Malefane
Kamera: Giulio Biccari
Schnitt: Ronelle Loots
Darsteller: Pauline Malefane, Andile Tshoni, Lungelwa Blou, Zorro Sidloyi
Südafrika 2005, 122 Minuten, Format 1:1,85
Verleih: MFA+ Film Distribution
Kinostart: 22. Dezember 2005

Völlig überraschend gewann mit diesem südafrikanischen Musical ein Film aus Afrika die diesjährige Berlinale. Regisseur Mark Domford-May verlegt dabei Bizets Oper Carmen in den südafrikanischen Township Khayelitsha und muss kaum Änderungen vornehmen, um die dramatische Liebesgeschichte den afrikanischen Realitäten anzupassen. Trotz mancher Schwächen ein spannender Film, der dank der Auszeichnung mit dem Goldenen Bären vielleicht das Publikum zu finden, das er verdient.

Aus Sevilla wird Khayelitsha, ein Township in der Nähe Johannisburgs, in dem eine halbe Millionen Menschen leben, viele von ihnen unterhalb der Armutsgrenze. An sozialem Brennstoff mangelt es also nicht, Kriminalität, korrupte Polizisten, AIDS, die alltäglichen Probleme Afrikas finden sich in Libretto und Film. Wie in Bizets klassischer Oper geht es auch hier um eine verhängnisvolle Liebesbeziehung. Die heißblütige Carmen (Pauline Malefane) wird von zahllosen Männern umworben, doch der eine, der sie ignoriert ist ihr Ziel. Im Original heißt er Don Jose hier Jongikhya (Andile Tshoni). Er ist Polizist und liest in der Bibel, dem Charme Carmens kann er sich jedoch nicht entziehen. Immer tiefer verstrickt er sich in ihr Netz, gibt seinen Beruf auf und ist bereit alles zu tun, um Carmen für sich zu gewinnen.

Eine Opernverfilmung ist schon prinzipiell etwas besonderes, die südafrikanische Version einer europäischen Oper, vorgetragen in Xhosa, einer der Landessprachen Südafrikas, die sich vor allem durch die zahlreichen Klacklaute auszeichnet, ist eine Rarität. Die Schwierigkeit ein Bühnenwerk für den Film zu inszenieren sind jedoch offensichtlich. Das größte Problem ist dabei die Unerfahrenheit von Mark Domford-May als Filmregisseur. Zwar kann er auf 25 Jahre Erfahrung als Theaterregisseur zurückblicken, die Notwendigkeiten des Mediums Films beherrscht er jedoch nur unzureichend. Meist löst er die Szenen in statischen, viel zu langen Einstellungen auf, inszeniert eher wie im Theater als für den Film. Die Folge ist ein aneinanderreihen von Szenen, denen eine innere Dynamik oft fehlt, die für sich genommen zwar funktionieren, als ganzes aber Stückwerk sind.

Die Originalität des Films entsteht durch andere Aspekte, zum einen die Idee an sich. Opernverfilmungen sind rar, die angedeuteten Probleme bei der Umsetzung eines Bühnenwerks in das freiere Medium des Films sind sicher ein Grund. Doch die wunderbare Musik Bizets zum Gesang in Xhosa, wird von den afrikanischen Sängern mit Inbrunst und Emotion vorgetragen. Zum anderen gelingt es Domford-May das differenzierte Bild eines Townships zu zeichnen, das sich trotz der Außenseiterrolle des Regisseurs (der als weißer Südafrikaner in einer völlig anderen Welt aufwuchs und einen großen Teil seines Lebens außerhalb des Landes verbracht hat) durch eine bemerkenswert differenzierten Blick auszeichnet. Weder wird die Armut und die schwierigen Lebensverhältnisse an sich beschönigt noch über alle Maßen dramatisiert und zur Ursache für die Lebensfreude der Bewohner stilisiert, wie man es aus allzu vielen Filmen kennt. Die Lebensbedingungen sind einfach was sie sind, es hilft nichts sich über Korruption und Armut aufzuregen, jeder Bewohner des Townships versucht das Beste aus der schwierigen Lage zu machen. Es ist – neben der großartigen Musik – vor allem dieser unsentimentale Blick, der U-Carmen zu einem interessanten Film macht, der die filmischen Mängel weniger gravierend erscheinen lässt.

Michael Meyns