Zwischen uns das Leben

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Ein Treffen zweier Menschen nach vielen Jahren, nach anderthalb Jahrzehnten. Das erinnert an Richard Linklaters „Before“-Trilogie, nur dass die beiden Hauptfiguren von „Zwischen uns das Leben“ nicht weitermachen, wo sie aufgehört haben. Aber die Begegnung führt zu einem Überdenken dessen, wer sie sind und wo sie im Leben stehen. Ein Film der leisen Momente, der dafür aber umso durchdringender wirkt.

Webseite: https://www.alamodefilm.de/kino/detail/zwischen-uns-das-leben.html

Hors-saison
Frankreich 2023
Regie: Stéphane Brizé
Buch: Stéphane Brizé, Marie Drucker
Darsteller: Guillaume Canet, Alba Rohrwacher, Sharif Andoura

Länge: 115 Minuten
Verleih: Alamode
Kinostart: 1. Mai 2024

FILMKRITIK:

Mathieu (Guillaume Canet) ist ein erfolgreicher Schauspieler. Er hätte demnächst im Theater debütieren sollen, hat aber kalte Füße bekommen und sich aus dem Projekt zurückgezogen. Jetzt hat er sich abseits der Saison in einem Hotel für eine Thalassotherapie eingebucht. Um den Kopf freizukriegen, um neue Drehbücher zu lesen, um sich damit auseinanderzusetzen, wieso er das Risiko scheute. Da erhält er eine Nachricht von Alice (Alba Rohrbacher), mit der er vor mehr als 15 Jahren zusammen war. Sie wohnt in diesem Ort und hat mitbekommen, dass er hier ist. Beide treffen sich, was zuerst ungelenk und eigenartig ist, wie es nun mal ist, wenn Menschen, die sich einst liebten, und bei denen der eine den anderen verlassen hat, wieder gegenübersitzen. Aber es ist ein schönes Treffen. Eines, das die Vergangenheit wieder aufwühlt.

Es ist grau an diesem Urlaubsort. Die meisten Häuser sind verlassen. Eine unwirkliche Stimmung macht sich breit, die perfekt für diese Geschichte ist. Als Mathieu und Alice sich wiedertreffen, könnte ihr Leben nicht unterschiedlicher sein, auch wenn beide verheiratet sind und ein Kind haben. Bei ihm ist es gekommen, wie es sein sollte, bei ihr ist es so gut gekommen, wie es nun mal ging. So fasst Alice den Unterschied ihrer beider Leben zusammen. Ihrer Leben – das ist das, was zwischen dem Ende der Beziehung und diesem Treffen existiert. Ein Treffen, das die alten Gefühle hochkommen lässt. Vom Verlassenwerden, vom Gefühl, nicht gut genug gewesen zu sein, von der guten Zeit. Weil es die Vergangenheit so an sich hat, dass die schönen Ereignisse umso strahlender sind, und die Schlechten ein Stückweit weniger schlecht erscheinen.

„Zwischen uns das Leben“ lebt von den beiden Hauptdarstellern. Ihre Chemie ist sofort spürbar. Stéphane Brizé hat mit Sorgfalt inszeniert, beweist aber auch den Mut, mit Konventionen zu brechen. Wenn Mathieu und Alice auseinandergehen, zeigt er Momente ihres jetzigen Lebens. Still, von außen. Andere Momente sind nicht weniger unkonventionell. Etwa, wenn beide auf einer Hochzeit sind und minutenlang der Performance zweier Künstler lauschen, die akustisch perfekt Vögel nachahmen können. Der Zuschauer sieht das zusammen mit den Beiden an. Es braucht schon Mut, diese Momente des narrativen Stillstands zu präsentieren, weil sie es dem Publikum erlauben, tiefer in die von dem Film ausgelöste Gedankenwelt einzutauchen.

Das ist die eigentliche Stärke von „Zwischen und das Leben“. Dass er konsequent von einem Treffen alter Liebender erzählt, aber mit dem, was er zeigt dem Publikum eine Leinwand für die eigene Projektion bietet. Weil dieser Film unweigerlich zum Nachdenken anregt, weil die Vergangenheit niemanden jemals wirklich unberührt lässt.

 

Peter Osteried