Faktotum

Norwegen, Deutschland, USA 2005
Regie: Bent Hamer
Darsteller: Matt Dillon, Lili Taylor, Marisa Tomei, Fisher Stevens, Adriene Shelly, Didier Flamand, Karen Young u.a.
93 Minuten
Verleih: Pandora Film (Start am 8.12.05)
www.pandorafilm.com

Schon in seinem letzten Film „Kitchen Stories“ hat sich der norwegische Regisseur Bent Hamer als guter Beobachter wortkarger, in sich aber auch komischer Situationen erwiesen. War es dort das Forschungsprojekt über das Verhalten alleine lebender Männer im Küchenbereich, so schildert Hamer nun das träge Leben von Henry Chinaski, einem literarischen alter ego des Schriftstellers Charles Bukowski. „Faktotum“ begleitet seinen abgewrackten Helden jedoch weniger an die Bars denn an seine diversen Arbeitsplätze, die er jedoch immer wieder verliert.

„Faktotum“, so heißt Charles Bukowskis zweiter, 1975 erschienener Roman. Auf ihm basiert Hamers Regiearbeit, eingeflossen sind aber auch Ereignisse aus anderen Stories des „Dirty Old Man“. In einer kurzen Notiz zu Beginn des Films wird die Bedeutung des Titelwortes erklärt, und damit bereits umrissen, worauf Bent Hamer sein Augenmerk legt: auf das unaufgeregt aufregende Leben eines „man, who performs many jobs“. Matt Dillon spielt den Underdog Henry Chinaski mit einer herrlichen Wurschtigkeit und als einen Menschen, der sich mit seinem Schicksal, ständig gefeuert zu werden, längst abgefunden hat, der allerdings auch wenig dazu tut, sich wirklich Mühe zu geben, an diesem Zustand etwas zu ändern. Als Eisliefererant zieht es Chinaski vor, bei seinem ersten Stop eine Pause an der Bar einzulegen während aus der offenen Tür des Transporters das Eis anderer Kunden in Flüssigform flüchtet, als Arbeiter eines Bremsklotzlagers schert er sich schon Sekunden später um das nahe gelegte Rauchverbot.

Was Chinaski wirklich am Herzen liegt sind seine Kurzgeschichten. Er glaubt an sich als Schriftsteller, auch wenn bislang kein Verleger Interesse an seinen Manuskripten zeigte (meist schickt er sie an die Black Sparrow Press in Los Angeles, die Bukowksis Geschichten veröffentlichten). Doch auch das bringt ihn nicht aus der Ruhe. Als er mit einem Kumpel für kurze Zeit erfolgreich Pferdewetten abschließt und sich daraufhin sogar einmal einen teuren Anzug leisten kann, genießt er diese Phase, weiß er doch: es kommt auch wieder jene Zeit, in der selbst billigster Fusel nur schwer zu bekommen sein wird.

Halt und Geborgenheit findet Chinaski immer wieder auch bei Frauen, die er meist am Tresen aufgabelt. Eine von ihnen ist Jan, wie er eine scheinbar gescheiterte Existenz, bei der er bald schon einzeiht. Lily Taylor spielt die seelenverwandte Trinkerin mit einem großen Mut für das Hässliche und einer großen Lust für Sex. Statt großspurig über Gefühle zu reden setzt Hamer lieber auf lange und ruhige Einstellungen, in denen er tief in die Gesichter seiner vom Leben gezeichneten Figuren blickt und damit deren unaufgeregtes Leben am Limit unterstreicht. Ähnlich verfährt Hamer auch im Fall ihrer Trennung: statt langer Diskussion lässt er beide sich nacheinander im Bad übergeben – was man als Folge einer durchzechten Nacht, aber auch als eine Abscheu vor dem Partner sehen kann. Kurz darauf hat Chinaski mit der hübscheren Laura (Marisa Tomei) bereits eine andere Frau an seiner Seite – auch sie eine Trinkerin.

„Faktotum“ ist eine nüchtern und ohne übertriebenes Pathos erzählte Geschichte eines ständigen Scheiterns, die Handlungsorte meist schmuddelige, atmosphärisch aber passende Plätze. Bent Hamer trifft durch seine ruhige Art, die aus dem Off eingesprochenen Kommentare Chinaskis und seine lakonische Sicht der Dinge den Ton von Bukowskis Vorlagen ausgezeichnet, der Independent-Sound mit teilweise auch zu Bukowksi-Texten gespielte Soundtrack tut ein übrigens. Anders als in Barbet Schroeders „Barfly“ (1987) mit Mickey Rourke, der damals mehr auf die Trunkenheit seines Helden setzte, stellt Hamer seinen Chinaski in umgänglicherem Zustand vor. Bisweilen fühlt man sich dabei gar an Aki Kaurismäkis Filme erinnert. Wohl auch deshalb, weil der Finne seinen vom Leben, der Zeit ohne Jobs, dem Alkohol und manchmal auch den Frauen gezeichneten schweigsamen Helden tief in die melancholische Seele blickt, sie aber niemals den Humor vergessen lässt.

Thomas Volkmann

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Nach seinem internationalen Erfolg Kitchen Stories, widmet sich der norwegische Regisseur Bent Hamer in seinem neuen Film dem schwierigen Unterfangen, einen der autobiographischen Romane des amerikanischen Autors Charles Bukowski zu verfilmen. Trotz vieler treffender Szenen, die die unstete Natur von Bukowskis Alter Ego Henry Chinaski einfängt, bleibt der Film irgendwie Stückwerk, womit er aber Bukowskis Stil Nahe kommt.

Ein Factotum, so teilt eine Fußnote unter dem Titel mit, ist ein Mann, der viele Berufe ausübt, weniger positiv könnte man auch sagen, der nicht weiß, was er will. Besonders motiviert wirkt der von Matt Dillon gespielte Henry dann auch nie. Weder bei seinen zahlreichen, wenig faszinierenden Jobs, vom stumpfsinnigen Sitzen am Fließband einer Gurkenfabrik, bis zu diversen Lagerarbeiten, noch beim Wetten auf der Rennbahn, das ihm für kurze Zeit einen Hauch von Wohlstand bringt, aber auch nicht im Verhältnis zu seinen Frauen. Allein wenn er am Schreibtisch sitzt, eine Flasche Whisky neben sich, eine glimmende Zigarette in der Hand und seine zwei bis drei Kurzgeschichten pro Woche schreibt, schimmert ein Hauch von Freude durch. Stoisch schickt Henry seine Geschichten an die Magazine des Landes, ohne große Hoffnung, dass eine gedruckt wird. Dennoch scheint das Schreiben das einzige zu sein, was ihn am Leben hält, was ihn dazu bringt weiterzumachen. Frauen dagegen stören auf Dauer, sowohl Laura (Marisa Tomei), als auch Jan (Lili Taylor) können Henry nicht halten. Eine Weile geht es gut, teilen sie Bett und Flasche, dann schnappt sich Henry seine bescheidene Habe und zieht weiter.

Wie Bent Hamer diesen Trott in karge, genau beobachteten Bilder einfängt ist die größte Qualität des Films und weißt Hamer in den besten Momenten als Erbe von solch Meistern der Lakonie wie Aki Kaurismäki und Jim Jarmush aus. Doch bei allen amüsanten, berührenden, nachdenklichen Szenen, daraus ein funktionierendes Ganzes zu machen gelingt Hamer nicht. Neben der ohnehin schwierigen Struktur, scheint vor allem Matt Dillon nicht die ideale Besetzung zu sein. Das er viel zu gut aussieht, um Bukowskis versifften Anti-Helden zu spielen ist noch das geringste Problem, das hatte schließlich auch Mickey Rourke, als er 1987 in Barfly ebenfalls eine Version von Henry Chinaski spielte. Im Gegensatz zu Rourke nimmt man Dillon die Lethargie, die Gleichgültigkeit gegenüber nahezu allem und jedem, meist nicht wirklich ab. Er gibt sich rege Mühe herumzuschlürfen, erst nach langen Pausen und dann mit möglichst wenigen Worten auf Fragen zu antworten, sich zu kratzen und zu jucken, aber die Rolle ausfüllen, nicht so zu wirken wie ein Schauspieler, gelingt nur selten. So beginnt der Film immer länger zu werden, spätestens wenn man zu ahnen beginnt, dass Chinaskis Leben nirgendwohin führen wird, er am Ende nicht weiter sein wird als am Anfang, keine Entwicklung statt gefunden hat. Trotz mancher Schwächen bleibt Factotum aber das in vielen Szenen treffend beobachtete Portrait eines Mannes, der seinen Platz im Leben sucht, ohne zu wissen, wie dieser Platz eigentlich aussehen mag.

Michael Meyns