Offside

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Der Publikumsliebling der diesjährigen Berlinale: Die im iranischen Farsi gedrehte Komödie über weibliche Fußball-Fans, die versuchen, sich während eines WM-Qualifikationsspiels ins Teheraner Stadion zu schmuggeln. Der Hintergrund: Frauen durften im Iran bis vor wenigen Wochen nicht in öffentliche Stadien. Regisseur Jafar Panahi hat daraus eine witzig-charmante Komödie geschaffen - mit versöhnlichen Tönen über mutige Mädchen und trottelige Soldaten und mit ironischem Esprit und unterschwelliger Gesellschaftskritik.

Webseite: www.movienetfilm.de

Iran 2005
Regie: Jafar Panahi
Darsteller: Sima Mobarak Shahi, Safar Samandar, Shayesteh Irani, Ida Saeghi, Mahnaz Zabibi, M.R. Gahradaghi
Länge: 88 Min.
Verleih: Movienet Film GmbH
Kinostart: 29.06.2006

Ausgezeichnet mit dem Silbernen Bär, Großer Preis der Jury, der Filmfestspiele Berlin 2006

PRESSESTIMMEN:

Charmant, witzig und sehr sehenswert... Mit hinreißenden Bildern, absurd-witzigen Szenen und teilweise bissigem Humor...
Stern

Eine beschwingte Komödie.
KulturSPIEGEL

Ein sich geschickt und atmosphärisch dicht an der Nahtstelle von dokumentarischen Impressionen und inszenierten Episoden bewegender, ebenso brisanter wie engagierter „Fußballfilm“ mit der subversiven Botschaft, dass sich Lebensfreude und -lust des iranischen Volkes auf Dauer nicht von politischen und religiösen Restriktionen zügeln lassen. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 12.
film-dienst

...mit frechem Humor.
Cinema

Eine Komödie der Emanzipation.
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Frauen in "Offside" zeigen es den Männern. Ein Soldat kriegt sogar das Handy einer der Mädchen, damit er noch schnell seine Beziehung regeln kann. Währenddessen führt hinter der Stadionmauer das Spiel zum Sieg für den Iran. "Wir fahren nach Deutschland." Die Euphorie verbindet Bewachte und Bewacher. Fußball hebelt die Werte-Gesetze aus. Das exemplarische Spiel ist so einfach wie möglich, "dokumentarisch". Wir bekommen die Realität Irans zu Gesicht, den Alltag und seine Latenzen. Wir können auf die Kraft der Frauen vertrauen. Ein aufregendes Ergebnis, wenn uns die Medien sonst nur mit alten Eifernden und aggressiven Politikern versorgen.
Die Emanzipationskomödie läuft hier bei uns. Im iranischen Kino waren Panahis Filme nie erlaubt. "Offside" drehte er, dem Militär zum Trotz, fern der Metropole zu Ende. Von außen gesehen ist es ein merkwürdiges Gewährenlassen. Panahi verarscht die Traditionalisten. Die Behörden verhindern nicht, dass seine Filme seit 1995 zustande- und auf die großen Festivals kommen, wo sie regelmäßig Preise einfahren und Irans Ruhm mehren.
tageszeitung berlin

FILMKRITIK:

Der runde, lederne Stein des Anstoßes: Sie sind zu jung, zu hübsch, vor allem aber zu sehr Frau: Beim letztjährigen Qualifikations-Match Iran gegen Bahrein (1:0) schleicht sich wieder einmal eine Handvoll junger Frauen, camoufliert mit Baseballkappe, Fan-Fahne und martialischer Bemalung ein. Just im Stadion angelangt, werden sie entdeckt, um in der provisorischen Absperrung an der Stadionmauer auf den Abtransport zur „Sitte“ zu harren. Es sind junge Iranerinnen, die sich wiederholt dem grotesken Stadionverbot für weibliche Anhänger nicht beugen wollen.
Es werden 90 quälende Minuten für die „Inhaftierten“, die jede tonale Stimmung aus der gigantischen 100 000-Mann-Geräuschkulisse aufsaugen, jedoch gleichzeitig an den diffusen Gedankenbildern durch die lakonischen Spiel-Kommentare ihrer naiven Bewacher emotional verdursten.
 

Die sich langsam aufbauende Spannung zwischen den selbstbewußten Mädchen und ihren geistig unterlegenen Bewachern bildet den Kern dieser semidokumentaren, als „neorealistisch“ gepriesene Humoreske des 45jährigen iranischen Newcomers Panaris, der, wie er konstatiert, „den Film nie zu Ende gedreht hätte, wenn der Iran gegen Bahrein unterlegen“ gewesen wäre.

Überlegen dagegen erweisen sich die femininen Laiendarsteller gegenüber diskriminierender Sprüche wie „Frauen müßten wohl vor den Unflätigkeiten grölender Fans geschützt werden“. Die aufrichtige Empörung der Hauptstädterinnen kommt da realistischer einher; wie soll „Mann“ reagieren, wenn entscheidende Argumente wie „Was soll der Quatsch, im Kino dürfen wir doch auch neben Männern sitzen, und da ist es sogar dunkel“, fallen?. In diesem Zusammenhang besonders amüsant, welch unglaublichem Stress der uniformierte Youngster  (M.Kheyrabadi) unterliegt, als eines seiner zu befriedenden Schützlinge(Shayesteh Irani) auch noch ganz nötig zur (Männer)-Toilette muß…

Erstaunlich anzusehen, welch filigranes Gespür Jafar Panahis, dessen letzter Film „Talaye Sorkh“(“Crimson Gold“) im Iran verboten wurde, für seine Laiendarsteller entwickelt. Anfängliches Misstrauen und Aggression mündet über die kommunikative Auseinandersetzung am Ende des Films, der teilweise nur mit der wackeligen Handkamera (Cinéma pur) gedreht zu sein scheint, in ein gemeinsames Feiern über den Sieg der iranischen Mannschaft. Wenn dazu die überschwängliche Hymne „O Land der Juwelen, Mutter aller Künste..“ euphorisch ertönt, so wirkt dieser pathetische Patriotismus nicht einmal überflüssig oder gar kitschig.

Nicht ganz so pathetisch reagierte die iranische Zensur auf Panahis’ filmisches Werk; so musste das Skript für „Offside“ von einem unbekannten Mitarbeiter eingereicht werden, um überhaupt die Dreh-Bewilligung zu erhalten. Jetzt hofft er, daß der Berlinale-Erfolg auch in seine Heimat getragen wird und warnte aber gleichzeitig, „wenn sein Film durch Schnitte der Zensur entstellt wird“, er „lieber auf eine Aufführung im Iran verzichten“ werde.

Eines indes hat Jafar Panahis schon bewirkt; er transportiert mit seinen bislang unerfahrenen Darstellern ein optimistisches Lebensgefühl, geprägt von der Sehnsucht nach Frieden und Gleichberechtigung in eine Gesellschaft, die zwischen Shador, Schimpf und Schande siecht.

Mag sein, daß dieser „avantgardistische“ Tenor des Films einen milderen Einfluß auf die Zensur inmitten seines Landes bewirkt: Immerhin hat sich seit der islamischen Revolution der Film vom stattlichen Propaganda-Instrumentarium der Ära Chomeini bis hin zu gesellschaftskritischeren Beiträgen gewandelt. Und wenn die wundersame Erscheinung Sport, insbesondere Fußball, dort weitere Diskussionen entfacht, so wird der Ball irgendwann auch für die iranischen Frauen eine runde Sache werden, die ins Tor gekickt werden kann.

Jean Lüdeke

P.S.: Seit Mai 2006 dürfen laut Anweisung des Präsidenten Ahmadinedjad nun doch Frauen in die Fußball-Stadien des Landes, was allerdings heftigen Protest konservativ-religiöser Kreise auslöste.