Erde von oben, Die

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Der französische Dokumentarfilmer Renaud Delourme präsentiert uns in seiner auf Aufnahmen des weltbekannten Luftbildfotografen Yann Arthus-Bertrand basierenden Collage "Die Erde von oben" die Welt als zerbrechliches organisches System voller Widersprüche. Die aus der Vogelperspektive aufgenommen Fotos offenbaren einen epischen Blick auf unseren blauen Planeten, der mit der sphärischen Musik des Marokkaners Armand Amar zu einer beeindruckenden Ton-Bild-Mélange verschmilzt. Leider entschloss sich Delourme dazu, sein ausdruckstarkes Dokument mit einer belehrenden und schlichtweg überflüssigen Erzählstimme zu unterlegen, was den Bildern letztlich einen Teil ihrer Faszination nimmt.

Webseite: www.dieerdevonoben.de

La Terre Vue du Ciel
Frankreich 2004
Regie:  Renaud Delourme
nach dem fotografischem Werk von Yann Arthus-Bertrand
Drehbuch: Renaud Delourme
Musik: Armand Amar
Kinostart: 14. September
Verleih: Stardust

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Im Zeitalter von GPS-Navigation und Google Earth, wo Landschaften und sogar der ganze Planet über das Internet in jeden Haushalt gelangen, wo per Mausklick aus einer Höhe von über 100 Kilometern einzelne Gebäude und Autos fast beliebig herangezoomt werden können, in solchen Zeiten besteht die Gefahr, dass sich unsere Augen an der Topographie der Erde längst satt gesehen haben. Die Entdeckung des Unbekannten scheint bereits lange zurück zu liegen, vielen Bilder haben ihren Reiz verloren, wegen ihrer Redundanz, wegen ihrer Austauschbarkeit.
Vor diesem Hintergrund erstaunt, wie sehr die fotografische Dokumentation "Die Erde von oben" mit simplen Mitteln wie dem Abfilmen teils monumentaler, teils sehr intimer Landschaftsaufnahmen den Zuschauer in ihren Bann ziehen kann. Indem Renaud Delourme die Bestseller des Luftbildfotografen Yann Arthus-Bertrand als Ausgangsmaterial für eine Entdeckungsreise rund um den Globus nimmt und dessen Bilder mittels unterschiedliche Vergrößerungsstufen betrachtet, Ausschnitte hervorhebt und wieder verwirft, entsteht ein so noch nie gesehenes Kaleidoskop unterschiedlichster Lebens- und Naturwelten. Sanfte Überblendungen zwischen den einzelnen Aufnahmen geben seinem Film eine fließende Form. Obgleich zwischen zwei Motiven ein Flug um die halbe Welt liegen kann, vermittelt die Collage den Eindruck einer direkten Nachbarschaft von isländischen Gletschern und brasilianischem Regenwald.

Unterteilt in sieben Kapiteln nach dem Vorbild der biblischen Schöpfungsgeschichte, von denen das erste folgerichtig mit Genesis überschrieben ist, besucht "Die Erde von oben" jeden Kontinent, jede Klimazone. Angefangen bei dem Herzen von Voh, ein Mangrovengebiet in Neukaledonien, über die lebensfeindlichen Wüsten Afrikas bis hin zu den Metropolen New York und Paris, es sind die Kontraste, die Delourmes Dokumentation über die vordergründige Schönheit der Motive sehenswert machen. Diese finden sich auch in der Soundgestaltung wieder. Wenn ein malerischer Regenbogen über dem Amazonas von den harten Klängen einer Rodungsaktion seiner Poesie beraubt wird, ist das ein unmissverständliches Statement zum Umgang des Menschen mit seiner Umwelt. Eine friedliche Koexistenz ist heute vielerorts nur noch als sentimentale Utopie denkbar. Wo die Natur von einer für uns fremden Ordnung in der Unordnung lebt, setzt der Mensch ihr geometrisch genormte Formen und Strukturen entgegen.

Gerade weil in Bezug auf Delourmes Anliegen, der Mensch solle sich als Teil des ganzen ökologischen Systems betrachten, zu keiner Zeit auch nur die geringsten Zweifel bestehen, verwundert der Rückgriff auf eine Erzählstimme, hier in Form eines Vaters, der seinem fragenden Sohn (genannt „Der kleine Prinz“) mit esoterisch-erzieherischen Unterton über die Entstehung des Planeten und die Abgründe menschlicher Zerstörungswut unterrichtet. Auch wenn eifrig große Denker wie Antoine de Saint Exupéry und Edgar Morin zitiert werden, schrammt die fortlaufende Off-Kommentierung mitunter nur haarscharf an der Grenze zu banalem Ethno-Kitsch vorbei. Noch ärgerlicher: Die verbalen Plattitüden reißen einen desöfteren aus dem betörenden Fluss der Bilder heraus, was Delourmes eigentlicher Botschaft wenig zuträglich sein dürfte. Weniger ist manchmal mehr. Auch eine Plattitüde, aber auf "Die Erde von oben" trifft sie (leider) zu.

Marcus Wessel