Darjeeling Limited

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Nach „Die Royal Tenenbaums“ und „Die Tiefseetaucher“ beschäftigt sich Regisseur Wes Anderson auch in „Darjeeling Limited“ auf sehr komische Weise mit gestörten Familienstrukturen – und schickt dafür Owen Wilson, Jason Schwartzman und Adrien Brody als Brüder auf eine Zug-Odyssee durch Indien. Mit dem trockenen Humor, dem gedrosselten Spiel der Darsteller und dem Sinn für liebevoll arrangierte Kleinigkeiten ist der in Venedig herzlich aufgenommene Wettbewerbsbeitrag zwar durchaus ein typischer Anderson. Darüber hinaus wird aber auch der Subkontinent selbst zum vierten Hauptdarsteller, der in intensiven Farben strahlt und für diesen wundervoll wundersamen Versuch eines spirituellen Trips viele situationsabsurde Details liefert.

Webseite: www.darjeelinglimited-derfilm.de

USA 2007
Regie: Wes Anderson
Buch: Wes Anderson, Roman Coppola, Jason Schwartzman
Kamera: Robert D. Yeoman
Schnitt: Andrew Weisblum
Darsteller: Owen Wilson, Adrien Brody, Jason Schwartzman, Anjelica Huston, Bill Murray
91 Minuten, Farbe
Verleih: Fox
Kinostart: 3. Januar 2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Die aus der Spur geratenen Familien lassen Wes Anderson offenbar nicht los. Schon in „Die Royal Tenenbaums“ entwarf der amerikanische Regisseur eine wundersame Tragikomödie über einen New Yorker Familienclan ehemaliger Kindergenies, bevor er in „Die Tiefseetaucher“ nicht nur eine bunt zurecht erfundene Unterwasserwelt, sondern auch die Vater-Sohn-Beziehung eines Meeresbiologen zu seinem vernachlässigten Spross erkundete. Mit „Darjeeling Limited“ wirft er jetzt abermals einen wundervoll wundersamen Blick auf erschütterte Familienstrukturen und folgt dabei drei Brüdern auf einer überaus komischen Zug-Odyssee im „Darjeeling Limited“ durch Indien.
Mit Owen Wilson und Jason Schwartzman werden die zu zwei Dritteln von Stammgästen im Anderson-Universum verkörpert, während Adrien Brody als schnell assimilierter Neuzugang dazu stößt. Als die drei hier zusammentreffen, sind sie alle in jüngerer Vergangenheit vom Schicksal gezeichnet: Schwartzman trauert mit Schnurrbart und tieftraurigem Blick seiner Beziehung hinterher und Brody will eigentlich seine Beziehung beenden – weil seine Freundin ein Kind bekommt. Bei keinem ist das allerdings sichtbarer als bei Wilson, der den gesamten Film über den Kopf bandagiert hat, weil er absichtlich gegen einen Berg gefahren ist.

In Indien begeben sich die Brüder, die seit der Beerdigung ihres Vaters ein Jahr zuvor nicht miteinander gesprochen haben, mit elf Koffern, einem Drucker und einem Laminiergerät auf eine Versöhnungsreise. Während sie spirituelle Rituale mit Pfauenfedern probieren oder sich mit indischen Medikamenten betäuben, nähern sie sich einander an, entzweien sich unter dem Einsatz indischen Pfeffersprays wieder und raufen sich letztlich vor dem Wiedersehen mit ihrer Mutter (Anjelica Huston) doch zusammen.

Ganz unverkennbar ist „Darjeeling Limited“ ein Anderson-Film: Der trockene, immer wieder herrlich absurde Humor und das dementsprechend herunter gedrosselte Spiel der Darsteller, die bis ins Detail liebevoll arrangierten Bilder und die überaus schönen Zeitlupen, die mit sorgfältig ausgewählten Songs aus den 60ern und 70ern unterlegt wurden. Darüber hinaus ist „Darjeeling Limited“ aber auch eine Liebeserklärung an Indien, das in Andersons sonst bislang sehr aufgeräumte Tableaus einen Anflug vom ganz alltäglichen, subkontinentalen Chaos bringt. Dabei strahlt der Film von Anfang an, nachdem Bill Murray bei seinem kurzen Auftritt in einem Mini-Taxi-Tuc-Tuc durch den mörderischen Verkehr manövriert wurde, mit intensiv leuchtenden Farben des Landes, das darüber hinaus auch eine ganze Reihe situationsabsurder Details liefert: Ob das der Schuhputzer ist, der ganz dreist einen Schuh klaut oder der Zug, der sich verfährt. Nach 91 überaus unterhaltsamen Minuten stellt man fest, dass der ganz normale Wahnsinn Indiens und Andersons seltsam aus der Wirklichkeit gefallene Familienkonflikte bestens zusammenpassen.

Sascha Rettig

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Dass Wes Anderson Filme wie die meisten anderen Regisseure abliefern würde, kann man nicht gerade sagen. Das war beispielsweise schon bei den „Royal Tennenbaums“ klar festzustellen. Jetzt kommt er erneut mit einer verrückten Geschichte daher. Die Fans werden sie genießen.

Indien. Die drei Brüder Peter, Jack und Francis unternehmen eine tagelange Zugreise durch das Land. Erster-Klasse- Schlafwagen mit entsprechendem Service natürlich. Ihr Vater ist gestorben, jetzt wollen die drei ihre verschollene Mutter Patricia, von einem Detektiv gefunden, aufsuchen und eventuell heimholen. Die hat sich schon vor längerer Zeit in ein Himalaya-Kloster zurückgezogen. Dort lehrt, meditiert und betet sie.

Nach ihren Söhnen hat sie indes kein großes Verlangen, denn an Brendan, der für die Brüder die „spirituelle Reise“ organisierte, mailt sie, die drei sollten erst „im nächsten Frühjahr“  kommen. Francis, Peter und Jack suchen die Mutter trotzdem auf. Es kommt zu einer kurzen Begegnung. Am nächsten Morgen ist die Frau verschwunden. Jetzt bleiben nur noch spirituelle Riten auf dem obersten Klosterfelsen zu absolvieren. Und was können die drei danach tun?

Die ganze Fahrt lief übrigens keineswegs ganz glatt ab. Die drei besuchten während der Kurzaufenthalte Tempel und Märkte, wollten die Stewardess verführen, flohen vor einer Schlange, wurden aus dem Zug verwiesen, retteten Kinder vor dem Ertrinken, nahmen an einem Begräbnis teil, usw.

Owen Wilson, Adrien Brody und Jason Schwartzman suchen die von Wes Anderson ausgedachte skurrile, „spirituelle“, an den Haaren herbeigezogene, ausgefallene, aber in einem gewissen Sinn auch originelle Geschichte so gelungen und so komisch wie möglich umzusetzen. An filmischer und darstellerischer Professionalität fehlt es keineswegs. Die Wes-Anderson-Fans und –Freaks werden an der etwas abgefahrenen Story schon ihre Freude haben.

Thomas Engel