12 Meter ohne Kopf

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Großen Mut beweist Sven Taddicken („Emmas Glück“) mit seiner historisch motivierten Piratenkomödie über das Leben des Seeräubers Klaus Störtebeker. Wissend, dass er es mit der mit großen Segeln durchs Meer der Filme kreuzenden „Fluch der Karibik“-Trilogie gar nicht erst aufnehmen kann, versetzt er seine Rebellenfantasie zumindest sprachlich und musikalisch in die Gegenwart. Genau daran aber könnten sich denn auch die Geister scheiden.

Webseite: www.12MeterohneKopf-DerFilm.de

Deutschland 2009
Regie: Sven Taddicken
Darsteller: Ronald Zehrfeld, Matthias Schweighöfer, Oliver Bröcker, Hinnerk Schönemann, Sascha Reimann, Jacob Matschenz, Franziska Wulf, Jana Pallaske, Devid Striesow, Alexander Scheer, Milan Peschel, Peter Kurth
102 Minuten
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 10.12.2009
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Das Mittelalter in seiner primitiven Bodenständigkeit, mit seinen rauen Sitten und groben Äußerungen, nicht zuletzt der historischen Kulisse – es ist und bleibt für Regisseure eine Herausforderung. Sven Taddicken hat schon zu Zeiten an der baden-württembergischen Filmakademie in Ludwigsburg (1996 – 2002) davon geträumt, einen solchen Film zu realisieren. Ein „Fluch der Karibik“ mit Johnny Depp war damals noch nicht in Sicht. Dafür aber brachte Brian Helgeland 2001 mit „Ritter aus Leidenschaft“ eine Abenteuerkomödie mit Heath Ledger heraus, in der tapfere Helden in Rüstungen zur Musik von Queen, AC/DC und Bachman Turner Overdrive ihren Spaß hatten. Diesem Prinzip, den Rock’n’Roll auf weit zurückliegende Zeiten zu übertragen, folgt nun auch Taddickens Piratenfilm.

Über diesen Ansatz Bescheid zu wissen und zu akzeptieren, dass Klaus Störtebeker und seine Zeitgenossen sich nicht im heute gestelzt anhörenden Tonfall von einst artikulieren, ist dabei eine wichtige Grundvoraussetzung, um sich von vornherein mit Taddickens Rebellenphantasie anfreunden zu können. Mit ihm entzieht sich „12 Meter ohne Kopf“ auch dem Versuch, mit historischen Fernsehfilmen verglichen zu werden. Auch dürfen keine gischtspritzenden und Wellen über Bord spülenden Kaperszenen erwartet werden – dafür lag der Drehort Ostsee einfach zu still und starr da wie ein friedlicher Binnensee. Die Ausstattung selbst überzeugt.

„Zwölf Meter ohne Kopf“ erzählt also die mit neuen Hypothesen angereicherte Legende des Ende des 14. Jahrhunderts an der Ost- und Nordseeküste freibeuterisch mit seiner treuen Seeräubertruppe die Hanse plündernden Klaus Störtebeker nach. Taddicken inszeniert sie zum einen als Freundschaftsgeschichte mit dem Mitstreiter Gödeke Michels, zum anderen aber auch als Zähmung eines Widerspenstigen. Störtebeker beschleichen nämlich mehr und mehr Zweifel, ob ihm das Außenseiterdasein zeitlebens Spaß machen wird. Eine Überlegung, die vor allem auch durch die Bekanntschaft zu einer Frau genährt wird. Guerilla oder Gemüsebauer, das ist hier die Frage.

Sven Taddicken ist kein Mann für Brachialkomik, sondern liefert hier eine freche Mischung von Abenteurertum, Rock’n’Roll-Rebellion, durchaus auch kitschigen wie romantischen und sentimentalen Momenten gepaart mit einer satten Portion Humor, wie er aufmüpfigen Jugendlichen heute über die Lippen kommen würde. Ronald Zehrfeld spielt Störtebeker als stets entschlossenen Kämpfer für ein freies Friesland, der auch einmal schwache Seiten zeigen darf. Sein Gegenstück mimt der derzeit auch auf anderen Kanälen omnipräsente Matthias Schweighöfer („Zweiohrküken“, „Friendship“) als eher uneinsichtigen, am Piratenleben Chaos und Krawall schätzenden Gödeke Michels.

Insbesondere Schweighöfer wie auch etlichen anderen in diesem Film mitwirkenden bekannten Darstellergesichtern wie Milan Peschel, Devid Striesow, Alexander Scheer, Hinnerk Schönemann, Oliver Bröcker, Sascha Reimann und Jacob Matschenz merkt man an, welchen Spaß sie offenbar hatten, hart an der Grenze zum stumpfen Klamauk zu agieren. Man kann es ihnen und dem Film nicht verdenken, dass zu Klängen von The Clash, The Thermals oder als große Überraschung Johnny Cashs „I see a darkness“ Partystimmung herrscht. Mit diesem Kniff gelingt es Sven Taddicken auch, seine mittelalterliche Sinn-des-Lebens-Parabel auf gegenwärtige Verhältnisse zu übertragen, auch wenn genau dies gelegentlich bemüht wirkt. Taddicken ist aber ehrlich genug, die manchmal als ungehobelt und abstoßend empfundene Raubeinigkeit und Derbheit einiger Nebenfiguren in Kauf zu nehmen anstelle sie durch Überzeichnung zu verraten. Das ist er Störtebeker, von dem die Legende sagt, er sei nach seiner Hinrichtung noch zwölf Meter ohne Kopf gelaufen, schuldig.

Thomas Volkmann