Geständnisse – Confessions

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Selbst für japanische Verhältnisse ist das, was Tetsuya Nakasima („Kamikaze Girls“, „Memories of Matsuko“) seinem Publikum hier zumutet, starker Tobak. Eine alleinerziehende Mutter setzt nach dem gewaltsamen Tod ihrer einzigen Tochter einen perfiden Racheplan in die Tat um, bei dem sie die noch minderjährigen und vor dem Gesetz daher strafunmündigen Mörder der aus ihrer Sicht gerechten Strafe zuführen will. Nicht zuletzt Nakashimas visueller Einfallsreichtum hebt diese tieftraurige, unbarmherzige Vendetta auf eine Ebene mit Park Chan-wooks preisgekrönter Rachetrilogie.

Webseite: www.rapideyemovies.de

OT: Kokuhaku
JPN 2010
Regie: Tetsuya Nakashima
Drehbuch: Tetsuya Nakashima nach der Vorlage von Kanae Minato
Darsteller: Takaku Matsu, Yoshino Kimura, Masaki Okada, Yukito Nishii, Kaoru Fujiwara, Ai Hasimoto
Laufzeit: 106 Minuten
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 28.7.2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Der letzte Tag vor den Schulferien entwickelt sich für die Schüler der Klasse 7B zu einem ganz realen Albtraum. Vor ihnen steht wie immer ihre Klassenlehrerin Frau Moriguchi (Takako Matsu) – soweit nichts Ungewöhnliches. Doch dann beginnt sie von ihrer Tochter Manami zu erzählen, die kürzlich auf tragische Weise ums Leben kam. Ihr Tod war jedoch kein Unfall und auch krank war das kleine Mädchen keineswegs. Vielmehr glaubt Manamis Mutter fest daran, dass sie ermordet wurde – von zwei Schülern dieser Klasse. In deren Milchpäkchen habe sie HIV-infiziertes Blut von Manamis Vater gespritzt. Moriguchi sinnt auf Rache und da sie zugleich nicht an den Rechtsstaat glaubt, der es jugendlichen Straftätern ihrer Meinung nach viel zu leicht macht, nimmt sie das Gesetz in die eigene Hand. Sie will, dass Manamis Mörder genauso leiden und ihre schreckliche Tat auf ewig bereuen.

Mit Moriguchis scheinbar emotionslos vorgetragenem Racheplan, dessen perfide Details erst nach und nach ans Licht kommen, eröffnet der neue Film des Japaners Tetsuya Nakashima. Nach vier Jahren der kreativen Pause und seinem ebenso quietschbunten wie verspielten „Memories of Matsuko“ muss man sich in „Geständnisse – Confessions“ auf einen radikalen Stimmungswechsel einstellen. Die Welt, die er uns hier zeigt ist düster, zynisch, hoffnungslos. Es ist ein verlorener Ort, an dem das Prinzip von Gewalt und Gegengewalt, von Rache und Vergeltung regiert. Die be- und erdrückende Stimmung ist ebenso wie die scheinbare Eiseskälte seiner Hauptfigur nur schwer zu ertragen. Vor allem schockiert die Ausweglosigkeit der in Gang gesetzten Gewaltspirale, die bis zur letzten bitteren Pointe jede Hoffnung auf Besserung bereits im Ansatz zerstört.

In dieser bitteren Konsequenz steht Nakashimas nihilistisches Rachedrama ganz in der Tradition anderer prominenter Genrevertreter. Der Vergleich zu Park Chan-wooks Rachetrilogie und dort speziell zu „Lady Vengeance“ ist einfach zu naheliegend, um in diesem Zusammenhang nicht zitiert zu werden. Dabei zeichnen beide Filme ihre Hauptfiguren als vordergründig ungemein starke, innerlich jedoch zutiefst schwache Personen, für die ihre Vendetta zum neuen Lebensinhalt wird. Abseits dieser inhaltlichen Parallele verstehen sich beide Filmemacher als Kinoästheten, die vornehmlich über Bilder eine emotional fesselnde Geschichte erzählen wollen. Nakashimas unbändiger Stilwillen dominiert auch in seinem neuen Film jede Einstellung. Mehr noch als Park setzt er dabei auf eine surreale Albtraum-Ästhetik, über die das Geschehen nicht selten eine an Mangas angelehnte Entfremdung erfährt. „Geständnisse“ wechselt vor dem Hintergrund seiner düsteren Rache-Agenda zwischen Comic-Strip, Videospieloptik und Musikvideo mit großer Eleganz hin und her. Unterlegt wurden diese oftmals in Zeitlupe gefilmten Bilderstrecken mit melancholischen Indie-Rocksongs unter anderem von Radiohead.

Hinter seiner einprägsamen Optik verbergen sich zudem eine Vielzahl unberuhigender Fragen. Ob Moriguchis Plan moralisch zu verurteilen ist oder nicht, mag noch die leichteste und offensichtlichste davon sein. Man mag ihr Vorgehen in seiner Brutalität widerlich und unmenschlich finden, gleichwohl dürfte ihr Schicksal und die Art, wie Nakashima es erzählt, niemanden unberührt lassen. Nach diesem Film ahnt man, wozu Menschen im Schlechten fähig sind. Die Hölle, das sind nicht immer die anderen, die Hölle, das sind manchmal eben auch wir.

Marcus Wessel

Eine Schulklasse in Japan. Die Schüler sind in einem Alter, in dem sie von Disziplin und korrektem Benehmen nicht viel halten.

Die Lehrerin Moriguchi verkündet, dass sie im kommenden Jahr nicht mehr unterrichten werde. Warum?

Sie hat einen mehr als traurigen Grund. Vor einiger Zeit ist ihre kleine Tochter Manami tot im Schulschwimmbecken gefunden worden. Doch es war, Moriguchi ist sich sicher, kein Unfall sondern Mord.

Rasch stellt sich heraus, dass die Schüler A (Shuya) und B (Naoki) die Schuldigen sein müssen. Shuya hat einen starken Geltungstrieb, wird von seiner Mutter vernachlässigt, ist karrieresüchtig und will in die Schlagzeilen, quält Tiere und hat eine explosive Vorrichtung erfunden, mit der der Diebstahl etwa von Geldbörsen verhindert werden kann. Naoki war eigentlich nur Mitläufer, hat aber zuletzt doch den Tod Manamis herbeigeführt.

Moriguchi wird sich furchtbar rächen. Sie mischt HIV-verseuchtes Blut ihres ehemaligen Freundes und Vaters von Manami in die Getränke von Shuya und Naoki.

Die Folgen dieser Rache sind furchtbar. Naoki wütet und schreit nur noch und tötet schließlich nach einem Kampf seine Mutter. Shuya bringt eine sogar mit ihm sympathisierende Klassenkameradin um und legt an einem letzten Schultag in der Aula eine Bombe.

Doch dann erhält er plötzlich einen Anruf der Lehrerin Moriguchi, sie habe diese Bombe im Büro seiner geliebten Mutter versteckt.

Eine wütende, gewalttätige, böse Rachegeschichte ohne jedes positive Zeichen, ein „unmoralischer“ Film, aber auch ein formal faszinierendes Stück. Was Drehbuchautor und Regisseur Tetsuya Nakashima vom dunklen Thema einmal abgesehen an Bildern, an Massenszenen, an Anspielungen an den Chor in der antiken Tragödie, an Effekten, an neuen Bildeinfällen, an Tempo, an spannenden Montagetricks oder an Musik auf die Leinwand bringt, schlägt beinahe filmisch ein neues Kapitel auf.

In Japan gab es wichtige Auszeichnungen, international schaffte der Film es in die Oscar-Shortlist der besten nicht englischsprachigen Filme.

Thomas Engel