Hotel Lux

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Mit Witz und Satire will der neue Film von Leander Haußmann („Sonnenallee“, „NVA“) gleich zwei verbrecherische Regime des letzten Jahrhunderts, ihre Ideologien und versteckten Gemeinsamkeiten enttarnen und der Lächerlichkeit preisgeben. Schauplatz ist das Moskauer „Hotel Lux“, das Mitte der 1930er Jahre verfolgte Kommunisten aus der ganzen Welt beherbergt. Unter der strengen Aufsicht durch Joseph Stalin und dessen Kader entstand dort ein merkwürdiges Paralleluniversum. Ein eigentlich unpolitischer Komiker – dargestellt von Michael „Bully“ Herbig – gerät auf der Flucht vor den Nazis in jenes kommunistische Panoptikum und zugleich in eine für ihn folgenschwere Verwechslung.

Webseite: www.hotel-lux-film.de

Hotel Lux
D 2011
Regie & Drehbuch: Leander Haußmann
Produzenten: Günter Rohrbach, Corinna Eich
Kamera: Hagen Bogdanksi
Darsteller: Michael Herbig, Jürgen Vogel, Thekla Reuten, Alexander Senderovich, Valery Grishko, Juraj Kukura
Verleih: Constantin Film
Laufzeit: ca. 95 Minuten
Kinostart: 27.10.11

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Für Komödianten und Entertainer waren die 1930er Jahre in Deutschland eine mitunter lebensgefährliche Zeit. Nur eine Pointe auf Kosten der Mächtigen zog nicht selten ein Berufsverbot und weitere Repressalien nach sich. Auch der Parodist Hans Zeisig (Michael Herbig), dessen Figur sich augenscheinlich an legendären Komikern und Kabarettisten wie Karl Valentin und Werner Fink orientiert, bekommt den Unmut des Hitler-Regimes zu spüren. Seine Auftritte in einem Berliner Varieté fallen nach anfänglicher Tolerierung in Ungnade, und so ist er gezwungen, überstürzt aus Deutschland zu fliehen. Statt in Hollywood landet der eigentlich vollkommen unpolitische Zeisig in Moskau, genauer im dortigen Exilantenhotel „Lux“. Es ist ein seltsamer, unwirklicher Ort, an dem Stalin jeden Schritt überwachen lässt und der vorrangig als Zufluchtsort für verfolgte Kommunisten und Funktionäre aus aller Welt dienen soll.

Unter den Gästen dieses etwas anderen Hotels, das bezeichnenderweise keine Gästeliste führte, fanden sich mit Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und Ho Tschi Minh gleichsam bekannte wie gefürchtete Akteure der späteren Weltpolitik. Zeisig, der anders als sein alter Freund Siggi Meyer (Jürgen Vogel) weder den Kommunisten noch den Nazis geistig nahe steht, betrachtet das skurrile Treiben in den Zimmern und Fluren des „Lux“ mit einiger Befremdung. Da ihn die Kommunisten zu seiner Verwunderung mit dem geflohenen Leibastrologen Adolf Hitlers verwechseln, wird ihm schließlich die zweifelhafte Ehre zuteil, Josef Stalin in einem – mehr oder weniger – privaten Vier-Augen-Gespräch zu begegnen. Zwischen dem Komiker mit Hollywood-Ambitionen und dem gefürchteten Diktator entwickelt sich ein seltsames, am Ende recht einseitiges Vertrauensverhältnis.

Regisseur und Komödien-Fachmann Leander Haußmann hat die ziemlich humorlose Diktatur des Proletariats als Bürger der DDR lange Jahre selbst erlebt. Nachdem er bereits in Filmen wie „Sonnenallee“ und „NVA“ den Irr- und Starrsinn des angeblich besseren Deutschlands mit Witz und Komik aufdeckte und darin vor allem den biederen Partei-Apparat zur Zielscheibe seines Humors machte, verlagert er nun dieses Prinzip auf einen ungleich düsteren Ausschnitt Zeitgeschichte. Dabei gibt sich „Hotel Lux“ deutlich ernsthafter als seine doch eher komödiantischen Vorgänger. Lachen ist auch hier erlaubt, aber nur – so scheint es – wenn einem zugleich der ernste Hintergrund der Ereignisse bewusst ist. Dass unter Stalin mehr kommunistische Funktionäre als unter Hitler ermordet wurden, soll schließlich bei allem Verwechslungs-Klamauk als Mahnung nicht vergessen werden. Damit ist zugleich eine große Schwäche des Films umschrieben, der gerne so leichtfüßig wie Chaplins „Der große Diktator“ daherkäme, letztlich aber zutiefst deutsch anmutet.

Es ist zugegeben kein Leichtes, Witz mit Drama zu vereinen. Roberto Beniginis Oscar-Gewinner „Das Leben ist schön“ gelang dieses Kunststück. Bei „Hotel Lux“ wollen beide Teile jedoch nur selten wirklich zusammenpassen. Haußmann vertraut abgesehen von einigen entlarvenden Kommentaren zur Ähnlichkeit linker und rechter Ideologien zu sehr auf flache Pointen. So muss beispielsweise ein übertrieben sächselnder Walter Ulbricht eine Mauer aus Zuckerwürfel nachbauen, was humoristisch mehr einem Schlag mit dem Holzhammer als einem Wink mit dem Zaunpfahl entspricht. Man merkt, dass Haußmann versuchte, die angeblich zu ernsten, ersten Drehbuchentwürfe von Uwe Timm und Volker Einrauch mit aller Gewalt in seine Richtung umzubiegen. Im Presseheft heißt es dazu, dass Haußmanns Geschichte auf „Motiven“ der anderen Autoren basiere. Mit der Besetzung von Michael „Bully“ Herbig, der mit den tragischen Facetten seiner Figur nie wirklich eins zu werden scheint, setzen die Verantwortlichen schließlich auf einen massenkompatiblen Zuschnitt ihres kommunistischen Skurrilitätenkabinetts.

Marcus Wessel

0er Jahre. Ebenso Hitler- wie Stalin-Zeit. In Deutschland werden die Juden verfolgt. Und wenn einer noch dazu ein jüdischer Kabarettist ist und sich über den „Führer“ lustig macht, dann ist es höchste Zeit abzuhauen.

Unglücklicherweise landet Hans Zeisig, so heißt der Mann, über Umwege im Moskauer Hotel Lux, auch nicht gerade die feinste Absteige – von den in den Zimmern herumhuschenden Ratten einmal ganz abgesehen.

Dort hausen viele europäische Kommunistenführer (übrigens auch chinesische), die nach dem Krieg Karriere machen werden: u. a. Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck, der Dichter Johannes R. Becher, der Bulgare Dimitrow, auch Herbert Wehner usw. Besser müsste es heißen, dass sie dort nicht wohnen, sondern (zum Teil mit ihren Familien) verwahrt werden. Ab und zu wird einer von Stalins Schergen abgeholt, und man sieht ihn danach nie wieder.

Zeisig – er hat noch ein paar andere Decknamen – muss das alles miterleben: Misstrauen, Überwachung, Spitzeldienste, Verrat. Tröstlich für ihn nur seine Liebelei mit der undurchsichtigen Agentin Frida van Oorten.

Immerhin trifft er, weil er fälschlicherweise für Hitlers Astrologe gehalten wird, mehrmals mit (dem vertrottelt dargestellten) Stalin zusammen. Und weil er anlässlich des Ribbentrop-Besuches (1939), bei dem der nicht einmal zwei Jahre haltende deutsch-sowjetische Vertrag geschlossen wird, die Russen täuschen und übers Ohr hauen kann, ist es ihm möglich, mit seinem ebenfalls verfolgten Freund Siggi Meier in die Vereinigten Staaten zu fliehen.

Eine skurrile Kabarett-Nummer, in erster Linie getragen von dem souverän agierenden Michael Bully Herbig als Hans Zeisig. Manche Passagen wie etwa Zeisigs Auftritt als Hitler oder die Verhöre durch den Geheimdienstchef Nikolai Jeschow sind ganz gut getroffen, andere, beispielsweise die Szenen mit Stalin, weniger.

Die Stimmung im Hotel Lux erscheint – mit der Einschränkung, dass es sich natürlich um eine komödienhafte Satire handelt – nicht schlecht eingefangen, und dass Regisseur Leander Haußmann sein Handwerk versteht, weiß man ja.

Alles in allem die rein ironische Historie des Hans Zeisig, gleichzeitig die Persiflage auf ein nicht unwichtiges politisches und zeitgeschichtliches Geschehen - die bittere Realität allerdings völlig außer Acht lassend!

Als satirische Unterhaltung – bei der es einem manchmal kalt den Rücken herunter laufen müsste – gut möglich.

Thomas Engel