Gefährten

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Es ist der Stoff, aus dem für gewöhnlich Oscar-Gewinner gemacht sind: In epischen Bildern verfilmte Steven Spielberg die abenteuerliche Odyssee eines tapferen Pferdes in den Wirrungen des Ersten Weltkrieges. Die über weite Strecken etwas zu brav erzählte Geschichte, die als Appell an Mut, Freundschaft und Mitmenschlichkeit zu verstehen ist, spart nicht an Pathos, Kitsch und großen Gefühlen – klassisches Hollywoodkino eben mit allen Stärken und auch Schwächen.

Webseite: www.gefaehrten-derfilm.de

Originaltitel: War Horse
USA 2011
Regie: Steven Spielberg
Buch: Lee Hall, Richard Curtis
Darsteller: Jeremy Irvine, Emily Watson, Peter Mullan, David Kross, David Thewlis, Tom Hiddleston, Hinnerk Schönemann
Filmlänge: 140 Minuten
Verleih: Walt Disney Germany
Kinostart neu: 16. Februar 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Nach seinem Ausflug in die computeranimierte Zukunft des Filmemachens mit dem Comic-Abenteuer "Die Abenteuer von Tim und Struppi" kehrt Steven Spielberg zum klassischen Regie-Handwerk zurück. In "Gefährten" folgt er - mit David Kross in einer Nebenrolle - der Odyssee eines Pferdes über die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges. Der Film leidet allerdings unter einer dick aufgetragenen Sentimentalität, die der Geschichte ihre innere Glaubwürdigkeit nimmt. Erst mit zwei beeindruckend gefilmten Sequenzen gelingt es Spielberg dann doch, diesen vergessenen Krieg wieder ganz gegenwärtig werden zu lassen.

1914: Der irische Bauernsohn Albert (Jeremy Irvine) schließt Freundschaft mit einem Fohlen, das er Joey nennt. Ausgerechnet diesen edlen Hengst ersteigert sein betrunkener Vater bei einer Auktion, obwohl er dringend ein kräftiges Arbeitspferd benötigt. Jetzt steht die Farm der Eltern auf dem Spiel – aber Albert und Joey beweisen, dass auch ein stolzes Ross vor einen Pflug gespannt werden kann. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, trennen sich allerdings ihre Wege: Um seine Schulden zu bezahlen, verkauft der Vater Joey schweren Herzens an die britische Armee. Der Vierbeiner erlebt den Krieg als eine Odyssee, die ihn auf die Schlachtfelder Frankreichs, zu zwei jungen deutschen Soldaten, einem französischen Mädchen und in die Dienste der deutschen Armee führt. Albert aber gibt die Hoffnung nicht auf, seinen Freund eines Tages wiederzusehen und verpflichtet sich selbst als Soldat.

Rund zehn Millionen Pferde sollen im Ersten Weltkrieg gestorben oder zwecks Fleischerzeugung geschlachtet worden sein. 1982 nahm der britische Autor Michael Morpurgo diese wenig bekannte Fußnote der Geschichte als Aufhänger für ein Kinderbuch über den Ersten Weltkrieg. 2007 wurde daraus ein Bühnenstück, das in Großbritannien großen Erfolg feierte. Nachdem Spielberg das Grauen des Zweiten Weltkrieges in "Schindlers Liste" (1993) und "Der Soldat James Ryan" (1998) thematisiert hatte, war er nach eigenen Worten fasziniert von der Möglichkeit, mit dieser Geschichte auch den Ersten Weltkrieg filmisch zu verarbeiten. Allerdings birgt der Stoff Fallstricke für einen Regisseur, der großen Gefühlen nicht gerade abgeneigt ist. Und tatsächlich wurde aus "Gefährten" in Spielbergs Händen eine ausgesucht kitschige Pferde-Oper zwischen "Der Pferdeflüsterer", "Black Beauty" und "Im Westen nichts Neues".

Die Bilder zeigen durchweg eine idealisierte Welt, ob in einem Bilderbuch-Irland mit unablässig auf- oder untergehender und Gegenlicht verbreitender Sonne oder in einem Fantasie-Frankreich, in dem unschuldige Mädchen und milde Großväter leben. Nicht weniger verlogen kommt die Dramaturgie daher, die mit dem Holzhammer auf der Gemüts-Klaviatur des Zuschauers spielt und auf maximale Manipulation aus ist. Noch verstärkt wird sie durch den jeden Zwischenton plattwalzenden Symphonie-Soundtrack von John Williams, der jede Gefühlsregung und jedes spannungssteigernde Element mit einem Crescendo ankündigt. Erst in zwei an die Nieren gehenden Schlacht-Sequenzen zeigt Spielberg sein Können und lässt mit Handkamera und in schlammigen Farben das mechanisierte Abschlachten von Menschen in den Schützengräben und im Niemandsland ganz gegenwärtig werden. Wenn der im Stacheldraht eingeklemmte Joey von einem britischen und einem deutschen Soldaten befreit wird, kommt "Gefährten" für einen Moment zur Ruhe und zu einem Anflug von echtem Gefühl. Ansonsten aber setzt Spielberg auf den Gegensatz zwischen einer Idealwelt, in der Mensch und unschuldige Kreatur brüderlich miteinander leben, und dem Grauen des Krieges, der beide verschlingt. Eine schwarz-weiß Zeichnung, die das Diktat des Gefühls an die Stelle von psychologischer  Glaubwürdigkeit.

Oliver Kaever

Grüne Wiesen, malerische Hügel, beides eingetaucht in das warme, fast schon zu perfekte Licht einer untergehenden Sonne. Mit derartigen Bilderbuchimpressionen beginnt Steven Spielbergs Abenteuerepos „Gefährten“. Die weit angelegte Geschichte über ein ganz besonderes Pferd und sein außergewöhnliches Schicksal in den Wirrungen des Ersten Weltkriegs lässt jederzeit Spielbergs Ambitionen als Erzähler großer, emotionaler Kinomomente erkennen. Ein Film wie dieser greift nach jedem Preis, den er bekommen kann. Das mag kalkuliert erscheinen, tatsächlich adressiert Hollywoods Meisterregisseur genau jene Erwartungen und Emotionen, aus denen für gewöhnlich die Lieblinge der Oscar-Jury geformt sind. Dafür werden die ersten Bilder einer ländlichen Idylle schon bald gegen andere, weniger freundliche Aufnahmen ausgetauscht. Schließlich befinden wir uns in den von Tod und Leid geformten Schützengräben zwischen Deutschen und Briten während einer der verlustreichen Schlachten des Ersten Weltkriegs.

Am Beginn dieser langen Reise, auf die uns Spielberg mitnimmt, steht eine besondere Freundschaft. Es ist die eines Jungen, der seine Liebe und Begeisterung für ein in vielerlei Hinsicht außergewöhnliches Pferd entdeckt. Als Alberts (Jeremy Irvine) dem Alkohol nicht abgeneigter Vater (Peter Mullan) mehr aus Trotz denn aus Vernunft den prächtigen jungen Hengst mit den weißen Fesseln und der markanten Stirn ersteigert, ist das zunächst eine ziemlich kostspielige Dummheit. Denn die Familie kann sich ein solch teures Pferd eigentlich nicht leisten. Doch Albert kann seine sichtlich verärgerte Mutter (Emily Watson) davon überzeugen, den auf den Namen Joey getauften Hengst zu behalten und auszubilden. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs trennen sich dann aber die Wege der beiden Freunde. Joey wird an die britische Kavallerie verkauft, wo er unter dem pflichtbewussten Captain Nicholls (Tom Hiddleston) in die Schlacht gegen die Truppen des deutschen Kaiserreichs zieht.

Auch wenn „Gefährten“, dessen englischer Originaltitel „War Horse“ weitaus treffender den Charakter von Spielbergs Film beschreibt, gleich mit einer Reihe profilierter Schauspieler besetzt ist, so besteht kein Zweifel, wer der eigentliche Star dieser ganz nach Hollywood-Logik erzählten Geschichte ist. Mit Respekt und sogar Bewunderung umkreist Janusz Kaminskis Kamera immer wieder den stolzen Hengst. Gerade die finalen Szenen auf dem Schlachtfeld, Joeys beinahe selbstmörderische Flucht inmitten von Bomben, Granaten und Stacheldraht sind beeindruckend. Mehrmals gelingen Spielberg Aufnahmen, bei denen einem als Zuschauer der Atem stocken muss. Selbst wer von sich behauptet, zu Pferden und der ihnen angeborenen Anmut bislang keinen Bezug gehabt zu haben, wird die Kraft dieser Szenen nur schwer leugnen können. Es sind die stärksten und eindringlichsten von insgesamt nicht immer restlos überzeugenden 140 Minuten.

Letzteres liegt vornehmlich am Aufbau der einzelnen Episoden, die viel zu oft allein durch das Schicksal ihres tierischen Hauptdarstellers zusammengehalten werden. Mehrmals wechseln Joeys Begleiter und mit ihnen auch der Verlauf der Front. Von den Briten geht es zu den Deutschen, den Franzosen und wieder zurück zu den Briten. Spielbergs Blick auf das Europa jener Zeit ist dabei ein durchweg amerikanischer. In der Anhäufung bestimmter Klischees werden Briten wahlweise als sympathische Raubeine oder pflichtbewusste Royalisten, Deutsche als gehorsame Stechschrittsoldaten und Franzosen als rebellische Lebenskünstler portraitiert. Mit Rücksicht auf eine gewisse Familienkompatibilität blendet der Film zudem die hässlichsten Seiten des Krieges geschickt aus. So schmerzhaft, blutig und direkt wie in „Der Soldat James Ryan“ wird es hier zu keiner Zeit. Das Leiden und Sterben findet größtenteils in der Totalen statt, was es auch für jüngere Zuschauer um einiges erträglicher macht. Als emotionaler Kitt nutzte Spielberg die von Hollywood perfektionierte Mischung aus Pathos und Kitsch. Dazu erklingt John Williams’ epischer Score, der „Gefährten“ nicht nur zeitweilig in die Nähe einer nostalgischen Zeitreise mit märchenhaften Elementen rückt.

Marcus Wessel

1914, Devon in der englischen Provinz. Ted Narracott, der Ehemann von Rosie und Vater von Albert, kauft, obwohl er eigentlich das Geld nicht hat, ein rassiges Pferd, das Albert, der es zähmen und zureiten will, Joey nennt. Zuerst muss Joey schwere Ackerarbeit verrichten, damit die Schulden bezahlt werden können, dann wird er, als der 1. Weltkrieg beginnt, an die britische Kavallerie verkauft – sehr zum Leidwesen Alberts.

Der Junge, um die 17, 18 Jahre alt, ist darüber so traurig, dass er sich selbst freiwillig zum Militär meldet, um vielleicht in der Nähe seines geliebten Pferdes bleiben zu können.

Joey macht im Kampf der englischen gegen die deutschen Truppen eine schlimme Zeit durch – vier Jahre lang. Er muss Krankenwagen und schwere Kanonen ziehen, er verscheucht marschierende deutsche Soldaten, er wird in Frankreich der Freund eines kleinen Mädchens, er gerät im Niemandsland unrettbar und sich dabei verletzend in einen Stacheldrahtverhau.

Aber er wird in einer freundschaftlichen Geste auch von einem englischen und einem deutschen Landser gerettet. Und das Wichtigste: Albert wird ihn eines Tages wiederfinden und nach Hause bringen können.

Die Hauptrolle spielt auf jeden Fall das Pferd. Es handelt sich (wohl Spielberg-like) um eine gefühlvolle, sentimentale, tränennahe, bestens ausgefeilte, jedenfalls glänzend in Szene gesetzte, teils leicht kitschige Zweieinhalb-Stunden-Story über Freundschaft zwischen Mensch und Tier, Kampf und Krieg, Versöhnung und Frieden.

Spielberg brauchte vermutlich nicht zu sparen. Der Aufwand und die locations sowohl in den Kriegs- als auch in den übrigen Szenen sind gigantisch. Eine pompöse Musik begleitet alles. Der Kameramann leistete erstklassige Arbeit.

Selten sah man im Kino derart perfekte Tierdressuren. Was Joey vorführt, ist wirklich top. Doch natürlich zählen auch die anderen Darsteller. Endlich sieht man wieder einmal Emily Watson, die Alberts resolute Mutter spielt. Der Vater ist David Thewlis, der zwar ein bekannter Mann ist, hier aber zuweilen beinahe an die Grenze zur Übertreibung kommt. Jeremy Irvine, verdient als Albert seine ersten Sporen.

Thomas Engel