As time goes by in Shanghai

Zum Vergrößern klicken

Eine Urkunde, ausgestellt vom Guinness-Buch der Rekorde bezeugt es schwarz auf weiß: die „Peace Old Jazz Band“ aus Shanghai ist die älteste Jazzkombo der Welt, durchschnittlich 75 Jahre sind ihre Mitglieder alt. Der Dokumentarfilmer Uli Gaulke hat die Band aufgespürt und auf ihrem Weg zu einem Jazzfestival in den Niederlanden begleitet. Das Porträt vom Aufbruch zum ersten Auslandsgig des Sextetts und der Suche nach einer Sängerin ist ihm dabei äußerst unterhaltsam geraten, auch wenn es musikalisch bisweilen recht holprig zugeht und man sich doch auch etwas mehr Erinnerungen an die Zeit vor und während der Kulturrevolution gewünscht hätte.

Webseite: www.neuevisionen.de

Deutschland/China/Niederlande 2013
Regie: Uli Gaulke
Dokumentarfilm über die älteste Jazzband nicht nur in China
90 Minuten
Verleih: Neue Visionen Filmverleih
Start: 28.11.13

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Alte, fast schon in Vergessenheit geratene Musiker - unweigerlich kommt einem da Wim Wenders und Ry Cooders Wiederentdeckung der Mitglieder des Buena Vista Club Social in Kuba in den Sinn. Dass den Protagonisten von Uli Gaulkes Dokumentarfilm nun ein ähnliches Revival beschieden sein könnte, darf allerdings bezweifelt werden, auch wenn der etwa 50-jährige Bandmanager sich das durchaus vorstellen mag. „Erst exportieren, dann reimportieren. Wenn wir in Europa eine gute Performance hinlegen, dann werden wir auch Zuhause wieder ernster genommen“, malt er sich lebhaft aus, nachdem die Zusage für einen Auftritt beim Rotterdamer North Sea Jazz Festival gegeben ist.

Für die verwöhnten Ohren anspruchsvoller europäischer Jazzkonsumenten freilich ist das, was die „Peace Old Jazz Band“ im Programm hat, seicht und gewöhnlich. In den Nachkriegsjahren bis zu Beginn der von Mao Zedong 1976 für mehr als zehn Jahre die künstlerische Unterhaltung und Betätigung in China lahm legenden Kulturrevolution war der von den Amerikanern in die „Ballrooms“ der großen chinesischen Städte eingeführte Jazz freilich noch Avantgarde und - in Nischen jedenfalls - fester Bestandteil des kulturellen Lebens.

Gaulke („Havanna Mi Amor“) geht es aber gar nicht so sehr um die Vergleiche mit damals, auch erweisen sich die Protagonisten der amtlich als ältesten Jazzband geltenden Formation, denen er sich respektvoll nähert, in Bezug auf ihre Erinnerungen an damals nicht immer besonders gesprächig. Ihren Geschichten hört man dennoch gerne zu, und meist genügt auch der Blick in ihre Gesichter, um zu verstehen, was sie schon der Reihe nach so alles erlebt und durchgemacht haben. Zudem hat vermutlich auch das Archiv nicht allzu viel passendes Material über die alten Zeiten hergegeben. Wobei durchaus rüber kommt, dass die Entscheidung für eine westlich angehauchte Musik im damaligen China Mut und Opfer erforderte. Ihre Leidenschaft definieren die Herren Musiker auf fast schon diplomatische Weise: „Jazz war für uns keine antiamerikanische Musik, sondern die Volksmusik anderer Länder.“

Der Blick zurück bleibt also auf ein Minimum beschränkt, der Fokus liegt klar auf den Vorbereitungen, den Erwartungen und auch den Überraschungen der Reise nach Europa. Dabei sorgt immer wieder auch der Vergleich zwischen den Kulturen für Schmunzler. Ein Schelm allerdings, der bei der Erwähnung des Wortes „Langnasen“ (als Synonym für Europäer) eine neue Rassismusdebatte entfacht sieht. So wie die chinesischen Oldies das sagen (sich selbst bezeichnen sie einmal ja auch als „alte Knacker“), klingt es stets humorvoll und von einem Augenzwinkern begleitet, ähnlich dem Vergleich, den die chinesische Dolmetscherin ihren Landsleuten nach der Ankunft im Land der Tulpen offeriert: „Die Holländer sind die Chinesen Europas, sie sind wirtschaftlich sehr schlau, wie im China zur Zeit der vielen Erfindungen.“

Ein Glücksfall für die Dokumentation ist, dass sich die Band für ihre Europareise um eine nicht zu junge Sängerin verstärken will - und in Jasmine Chen auch eine Dame findet, die nicht nur hübsch ist und gut singen kann, sondern sich im Umgang mit den Senioren als liebevoll und souverän erweist und sie dazu animiert, auch musikalisch mal was Neues zu wagen. Klar, dass die betagten Herren durch ihre Gegenwart aufblühen.

Thomas Volkmann