Love Steaks

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Wer wissen will, was so los ist im deutschen Film, der darf „Love Steaks“ auf keinen Fall verpassen. Mit seinem zweiten Film räumte Regisseur Jakob Lasse schon ganz groß beim Filmfest in München ab und gewann den Max Ophüls Preis. Es ist eine unerhört druckvolle und präsente Tragikomödie, die sich auch in die Herzen der Kinozuschauer spielen könnte. Getragen wird die Liebesgeschichte vor der Kulisse eines Kurhotels an der Küste von den unglaublichen jungen Darstellern Franz Rogowski und Lana Cooper.

Webseite: www.lovesteaks.de

Deutschland 2013
Regie: Jakob Lass
Buch: Jakob Lass, Ines Schiller, Timon Schäppi, Nico Woche
Darsteller: Franz Rogowski, Lana Cooper
Länge: 89 Minuten
Verleih: daredo media
Kinostart: 27. März 2014

FILMKRITIK:

Clemens (Franz Rogowski) muss erstmal mit einem Abstellraum vorlieb nehmen. Seinen Dienstantritt als Masseur in einem Kurhotel an der Ostsee hat er sich doch irgendwie anders vorgestellt. Aber beschweren ist seine Sache nicht – Clemens ist ein sanfter, weicher, zurückhaltender Mensch. Ganz im Gegensatz zu Lara (Lana Cooper), Azubine in der Hotelküche. Immer laut, immer am Anschlag, ständig voll. Die beiden passen überhaupt nicht zueinander und beginnen doch ein Verhältnis. Wobei ganz klar Lara den Ton angibt und Clemens ihr die Kotze aus dem Gesicht wischt, wenn sie wieder mal völlig betrunken zusammenbricht. Als er von einer Kundin sexuell bedrängt wird, will sie ihn dazu zwingen, sich zu wehren. Und als sie wegen ihrer Eskapaden Ärger mit ihrem Chef bekommt, setzt er sich für sie ein – allerdings mit desaströsen Folgen.
 
Was hat dieser Film schon jetzt für einen Ritt hingelegt! Das Team gewann 2013 beim Filmfest in München in allen vier Kategorien den Förderpreis Neues Deutsches Kino und Anfang des Jahres obendrein noch den Max Ophüls Preis. Seine Entstehungsgeschichte ist fast so spannend wie der Film selbst. Gedreht wurde ohne Fördermittel. Im laufenden Hotelbetrieb. Mit zwei Schauspielern und vielen Laiendarstellern, die alle sich selbst spielten. Die beiden Darsteller wurden komplett in den Ablauf eingebunden und verrichteten ihre Arbeit auch, wenn sie nicht drehten. Es gab kein ausformuliertes Drehbuch, sondern nur 18 Szenen-Skeletts, die spontan vor Ort ausgefüllt wurden. Regisseur Jakob Lass modulierte die fertigen 89 Minuten aus 78 Stunden (!) Material. Und als sei das alles noch nicht genug, probierte das Team gleich noch ein eigenes Konzept aus, das mit dem Namen Fogma die dänische Dogma-Bewegung ironisiert und, wie die Macher schreiben, geregelte Arbeitszeiten mit größtmöglicher Kreativität zu verbinden sucht.
 
Das wäre alles nur heiße Luft, würde das Ergebnis nicht überzeugen. Aber „Love Steaks“ zieht einem die Schuhe aus. Die deutsche Filmlandschaft ist lethargisch? Hier zumindest auf keinen Fall. Hellwach ist dieser Film, geradezu überschäumend witzig, samt Slapstick-Einlagen. Er bewegt sich in einem eigentlich recht konventionellen Rahmen, füllt diesen aber mit einer unglaublichen Lebendigkeit und Energie. „Love Steaks“ hat eine Punk-Attitüde, er lässt spüren, wie Enge und Hierarchien seine Protagonisten an ihrer Entfaltung hindern. Vor allem das dokumentarische Setting kommt dem Film dabei zugute. Es läuft einem kalt den Rücken herunter, wenn einer der Vorgesetzten, „Fuchs“ genannt, die beiden mit einer widerlichen, im beruflichen Alltag aber weit verbreiteten Kälte herunterputzt.

Ganz großartig wird „Love Steaks“ in kleinen Szenen, die Unausgesprochenes kurz aufscheinen lassen, wie eine, in der kurz Laras eigentliche Verzweiflung hinter ihrer Feier-Fassade sichtbar wird. So wirbelt Jakob Lass’ Film mit Handkamera und elektrisierendem Soundtrack munter Rollenklischees durcheinander und zeigt überzeugend einen Kampf um Selbstbestimmung und Anerkennung. „Oh Boy“ war keine Ausnahme. Der junge deutsche Film lebt nicht nur. Er vibriert.
 
Oliver Kaever