Ein Dorf sieht schwarz

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Die wahre Geschichte hinter der Culture-Clash-Komödie „Ein Dorf sieht schwarz“ spielt zwar im fernen Jahr 1975, ist heute aber leider wieder ziemlich aktuell. Die Geschichte dreht sich um einen frisch promovierten Arzt aus Zaire, der im französischen Hinterland eine Praxis als Landarzt übernimmt und auf rassistische Vorurteile der Anwohner stößt. In Frankreich avancierte die amüsante und rührende Integrationskomödie von Regisseur Julien Rambaldi mit mehr als einer halben Million Zuschauern zum überraschenden Sommerhit.

Webseite: www.ein-dorf-sieht-schwarz.de

OT: Bienvenue à Marly-Gomont
Frankreich 2016
Regie: Julien Rambaldi
Drehbuch: Benoît Graffin, Julien Rambaldi & Kamini Zantoko
Darsteller: Marc Zinga, Aïssa Maïga, Bayron Lebli, Médina Diarra, Rufus, Jonathan Lambert, Jean-Benoît Ugeux, Stéphane Bissot, Mata Gabin
Laufzeit: 96 Min.
Verleih: Prokino
Kinostart: 20. April 2017

FILMKRITIK:

Anno 1975 feiert der aus Zaire stammende Seyolo Zantoko (Marc Zinga) sein erfolgreich absolviertes Medizinstudium an der Universität von Lille. Das lukrative Angebot, in seiner Heimat der Leibarzt von Präsident Mobutu zu werden, schlägt Seyolo aus, weil er das korrupte System missbilligt. Lieber würde er in Frankreich praktizieren, doch ihm fehlt eine Arbeitsgenehmigung. Da kommt der Bürgermeister Ramollu (Jean-Benoît Ugeux), der für die Mini-Gemeinde Marly-Gomont einen Dorfarzt sucht, gerade recht. Wohlwissend, dass die Dörfler aus dem tiefsten Hinterland wohl noch nie einen Afrikaner gesehen haben, ergreift Seyolo die Gelegenheit beim Schopf und zieht mit seiner Frau Anne (Aïssa Maïga) und den beiden Kindern (Medina Diarra & Bayron Lebli) in die französische Provinz. Hier muss er die Ressentiments der Bauern und die Enttäuschung der Familie aushalten: Als Seyolo am Telefon erklärte, nördlich von Paris eine Praxis zu übernehmen, hörte seine Frau nämlich nur Paris...
 
Die Idee zur Integrationskomödie stammt vom 2009 verstorbenen Seyolo Zantoko selbst, der sich nach anfänglichen Hemmnissen den Respekt der Dorfbewohner verdiente. Das Kernproblem sind nicht unbedingt die engstirnigen Bauern, die den afrikanischen Landarzt wegen seiner Fremdartigkeit ausgrenzen. Viel ärger ist die im Hintergrund wirkende Politik, hier personifiziert durch den miesen Lavigne (Jonathan Lambert), der das Bürgermeisteramt an sich reißen will. Lavigne schürt bewusst die Ängste der Leute, indem er etwa das Gerücht streut, Seyolo würde Abtreibungen vornehmen. Der in Marly-Gomont geführte Wahlkampf erscheint etwas unverhältnismäßig, denn immerhin ist hier der Bürgermeisterposten in einer der kleinsten Gemeinden des Landes zu vergeben. Dass die Lösung am Ende bedeutet, an der Wahlurne für den alten Bürgermeister zu votieren, können die politikverdrossenen Dörfler zunächst kaum begreifen.
 
Das bestimmende Thema von „Ein Dorf sieht Schwarz“ ist der alltägliche Rassismus, den Seyolo und seine Familie aushalten müssen. „Warum ist es härter für Schwarze?“ fragt der Sohn, der gemeinsam mit seiner Schwester an der Schule gemobbt wird („der riecht wie Kacke“). Immerhin spricht die zugezogene Familie Zantoko die französische Sprache, doch das allein reicht nicht aus, um akzeptiert zu werden. Die Anwohner pendeln lieber ins nächste Dorf, bevor sie sich von Seyolo untersuchen lassen, der derweil neben einem Skelett in seinem Wartezimmer sitzt. Zwischenzeitig heuert der Arzt sogar als Gehilfe eines gutmütigen Bauers an, um die Familie über die Runden zu bekommen.
 
Die schönsten Momente hat die mit Kostümen, Tapeten und Frisuren der 1970er-Jahre ausgestattete Komödie, wenn Zantoko in die Offensive geht und sich mit den Bauern gemein machen will. Das Mittel der Wahl sind Besuche in der Dorfkneipe, wo zwischen Dartspielen und Bier trinken Raum für Diagnosen bleibt. Die Kneipe stellt als Ersatz für das Sprechzimmer natürlich keine Dauerlösung dar und so wendet sich am Zielpunkt der klassischen Dramaturgie aus Erfolgen und Misserfolgen freilich alles zum Besten.
 
Christian Horn