Im Zweifel glücklich

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Das Streben nach Glück ist in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben, doch was ist Glück wirklich? Erfolg im Beruf? Wohlstand? Eine Familie? Und was, wenn alte Studienfreunde viel mehr von einem oder allem besitzen? Mit diesen Fragen schlägt sich die von Ben Stiller gespielte Hauptfigur in Mike Whites „Im Zweifel glücklich“ herum, einem Film über eine Midlife-Crisis – und wie man sie überwindet.

Webseite: www.imzweifelgluecklich-film.de

Brad's Status
USA 2017
Regie & Buch: Mike White
Darsteller: Ben Stiller, Austin Abrams, Jenna Fischer, Michael Sheen, Luke Wilson, Jemaine Clement
Länge: 102 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 29. März 2018

FILMKRITIK:

Eigentlich geht es Brad (Ben Stiller) gut. Eigentlich. Zusammen mit seiner Frau Melanie (Jenna Fischer) lebt er in einem ordentlich großen Haus in Sacramento, nicht gerade der aufregendsten Stadt Amerikas, aber hier ist es zumindest sicher und friedlich. Brad leitet eine Non Profit Organisation, auch seine Frau ist im sozialen Bereich tätig, leidlich erfolgreich, aber ohne weitere Aufstiegschancen. Auch der gemeinsame Sohn Troy (Austin Abrams) ist wohl geraten, ein guter Schüler, der Chancen hat, an der Elite-Uni Harvard angenommen zu werden. Zu diesem Zweck steht eine Reise an die Ostküste an, ein Besuch bei diversen Colleges, eine Reise, auf der Troy von seinem Vater begleitet wird, aber auch eine Reise, die für Brad Anlass ist, sein Leben Revue passieren zu lassen. Eigentlich ist sein Leben bislang ordentlich verlaufen, doch im Vergleich zu seinen Freunden vom College sieht sich Brad als Verlierer: Jason (Luke Wilson) etwa ist Manager eines Hedgefonds, Millionär und reist in einem Privatjet durch die Welt, während Brad Holzklasse fliegt. Auch Billy (Jemaine Clement) führt ein beneidenswertes Leben auf Hawaii, umgeben von Sonne und schönen Frauen und Craig (Michael Sheen) ist Erfolgsautor, Frauenschwarm und Brads einzige Hoffnung, um seinem Sohn ein Vorstellungsgespräch in Harvard zu organisieren. Doch dafür muss Brad Craig treffen, was er seit Jahren nicht getan hat, und sich seinem Neid stellen.

Schon in Filmen wie „Greenberg“ oder „Das geheime Leben des Walter Mitty“ hat Ben Stiller Männer gespielt, die am Zustand ihres Lebens zweifeln, die sich mit anderen vergleichen und sich nach einem anderen, scheinbar besseren Leben sehnen. Ein besseres Leben, dass in erster Linie in Brads Kopf existiert, denn gesehen hat er seine ehemaligen Studienfreunde schon seit langem nicht. Er kennt sie nur noch aus der Presse, aus dem Fernsehen, aus den Klatschspalten, kennt nur Ausschnitte aus ihren Leben, die er in seinem Kopf zu Bildern mondäner Exzesse ausmalt.

Dezidiert subjektiv ist die Erzählperspektive, die Mike White in seinem zweiten Film einnimmt. Weite Teile bestehen nicht aus Dialogen, sondern aus den Gedanken Brads, die einen Bewusstseinsstrom bilden, wie man ihn eher aus der Literatur kennt und weniger aus dem Kino. Doch das Experiment mit dieser ungewöhnlichen Erzählperspektive gelingt. Tief taucht man in die Psyche Brads ein, folgt seinen Gedanken, seinem Neid auf andere, auf seine Studienfreunde und schließlich gar auf seinen Sohn. Wenn er da etwa erfährt, dass sein Sohn tatsächlich in Harvard angenommen werden könnte und nicht „nur“ in Tufts (einer ordentlichen, aber wenig renommierten Universität), an der Brad selbst studierte, dann spielt Stiller das mit einem Gesichtsausdruck, aus dem gleichermaßen Stolz auf den Sohn, Unglaube über dessen Möglichkeiten und auch Neid darüber spricht, dass diesem etwas zu gelingen scheint, was Brad selbst verwehrt blieb. Solche negativen Gefühle zuzulassen, sich ihnen zu stellen und sie langsam zu überwinden, macht „Im Zweifel glücklich“ so besonders. Ein Film über einen Mann in der Midlife-Crisis, der erst nach und nach realisiert, dass das Gras auf der anderen Seite des Zauns doch nicht immer grüner ist.

Michael Meyns