The Rider

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Ein indianischer Cowboy wird bei einem Rodeo vom Pferd abgeworfen und schwer am Kopf verletzt. Mühsam kämpft er sich ins Leben zurück. Doch als Pferdetrainer wird er nicht mehr arbeiten können. Anrührendes, überaus menschlich inszeniertes Drama über den Neuanfang eines jungen Mannes, der auch um seine Identität kämpfen muss. Der Clou: Fast alle Hauptdarsteller, Lakota Sioux aus der Pine Ridge Reservation in South Dakota, spielen sich selbst. In einigen Szenen ungemein berührend und feinfühlig inszeniert, vermittelt der Film der chinesischstämmigen US-Regisseurin Chloé Zhao in atemberaubenden Bildern auch ein Gefühl für den Ort, für die Landschaft und die Kultur dieser sogenannten „Indian Cowboys“.

Webseite: www.facebook.com/TheRider.DerFilm

USA 2017
Regie: Chloé Zhao
Darsteller: Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lily Jandreau, Lane Scott
Länge: 104 Min.
Verleih: Weltkino
Kinostart: 21.6.2018

FILMKRITIK:

Brady, ein junger indianischer Cowboy, arbeitet als Rodeoreiter und Pferdetrainer in einem Reservat von South Dakota. Als ihn bei einem Wettkampf ein widerspenstiges Pferd abwirft und mit dem Huf am Kopf trifft, erleidet er einen Schädelbasisbruch. Den eigentlichen Unfall sehen wir erst später auf einem YouTube-Video, doch die Folgen sind gravierend: Eine riesige Narbe entstellt den halbrasierten Kopf des jungen Mannes. Als er zum Duschen den Verband abnehmen will, entfernt er mit einem Messer jede einzelne Heftklammer, die den Verband festhält, darunter befindet sich eine Metallplatte. Man ahnt es schon: Bradys erfolgreiche Karriere als Rodeo-Reiter ist vorbei, auch als Pferdetrainer darf er nicht mehr arbeiten. Doch Brady liebt Pferde, im Umgang mit ihnen geht er förmlich auf. Einmal bittet ihn ein ratloser Züchter wegen eines scheuen Ponys um Hilfe. In einer minutenlangen Szene zeigt uns nun Regisseurin Chloé Zhao – sie stammt aus Peking, lebt aber in den USA – den Prozess des Zähmens: Brady stellt sich dem Tier in den Weg, streichelt es sanft, spricht mit ihm, gewöhnt es an Berührungen und Geräusche, legt sich mit dem Oberkörper auf den Rücken des Ponys – bis er endlich aufsteigt und mit ihm davonreitet. Eine erstaunliche, faszinierende Szene, in ihrer Genauigkeit realistisch und anrührend eingefangen: Da liebt einer seinen Beruf und darf ihn nicht mehr ausüben. Wie Brady sich damit abfindet, wie er nach einer neuen Zukunft und einer neuen Identität sucht – davon erzählt dieser Film auf ebenso zärtliche wie menschlich Weise.
 
Die Gefährlichkeit von Bradys Beruf wird noch einmal gespiegelt durch Lane, Bradys besten Freund und Mentor. Nach einem Rodeo-Unfall sitzt er gelähmt im Rollstuhl und kann nicht mehr sprechen. Kommunikation ist nur noch durch das Zeichnen von Buchstaben mit den Händen möglich. Wie Brady sich um sein Freund kümmert, ihn im Hospital besucht und ihm auf einem Übungsgerät noch einmal das Gefühl des Reitens vermittelt, ist die zweite große Szene dieses Films, sie ist ungemein berührend und feinfühlig inszeniert. Chloé Zhao beobachtet ihre Schauspieler minutenlang dabei, mit welcher Liebe, Sensibilität und tief empfundenen Freundschaft sie miteinander umgehen. Weitere Bezugspersonen von Brady sind sein Vater, ein strenger, ungerechter Mann, der sein Geld für Alkohol und Spielhallen ausgibt, und seine autistische Schwester Lily, um die er sich liebevoll kümmert. Und das ist der eigentliche Clou des Films: Die Familie wird von Brady, Tim und Lily Jandreau gespielt, auch Lane spielt sich und sein Schicksal selbst, Figuren und Darsteller sind eins. Fast alle Schauspieler sind Lakota Sioux aus der Pine Ridge Reservation in South Dakota. Chloé Zhao entlockt ihnen nicht nur wundervolle darstellerische Leistungen, sie vermittelt in atemberaubenden Bildern auch ein Gefühl für den Ort, für die Landschaft und die Kultur. Aufmerksam registriert sie das Männerbild in der kleinen Gemeinschaft und hinterfragt ihre Mythen: Ein Cowboy kennt keinen Schmerz. Er macht weiter. Doch ein „Weiterso“ gibt es für Brady nicht mehr.
 
Michael Ranze