Fritzi – Eine Wendewundergeschichte

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Pünktlich zum 30. Jahrestags des Mauerfalls kommt ein Film ins Kino, der die Ereignisse vom Herbst 89 aus der Perspektive eines Kindes imaginiert. Der Animationsfilm „Fritzi - Eine Wendewundergeschichte“ überzeugt dabei vor allem durch seine optische Gestaltung, droht inhaltlich manchmal allzu naiv vom Ende der DDR zu erzählen.

Webseite: www.weltkino.de

Animationsfilm
Deutschland/ Luxemburg/ Belgien/ Tschechien 2019
Regie: Ralf Kukula & Matthias Bruhn
Buch: Beate Völcker, nach dem Kinderbuch von Hanna Schott und Gerda Raidt
Länge: 86 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 9. Oktober 2019

FILMKRITIK:

Im Sommer 1989 lebt die 12jährige Fritzi zusammen mit ihren Eltern in Leipzig. Auch wenn sie ein schlaues, aufgewecktes Mädchen ist, hat sie sich für die politischen Ereignisse in ihrem Land bislang noch nicht interessiert. Das ändert sich, als am Ende des Sommers ihre beste Freundin Sophie nicht aus dem Urlaub in Ungarn zurückkehrt. So bleibt Fritzi allein mit Sophies Hund Sputnik zurück und dem Wissen, dass Sophie und ihre Mutter wohl „rüber gemacht“ haben.
 
Als am 1. September wie in jedem Jahr in der DDR Schulanfang ist, verstärkt sich Fritzis ungutes Gefühl, zumal ihre neue Lehrerin, Frau Liesegang, eine treue Anhängerin des Regimes ist und kein gutes Haar an all den Menschen lässt, die im Herbst 89 ihr Land verlassen. Zum Glück für Fritzi gibt es jedoch auch einen neuen Mitschüler. Bela sticht allein schon mit seinen langen Haaren aus der Klasse heraus, ist kein Thälmann-Pionier und nimmt Fritzi bald mit in die Nikolaikirche, wo die Proteste gegen das Regime ihren Lauf nehmen.
Doch noch bevor die Mauer fällt versucht Fritzi in einer gewagten Aktion, den so genannten antikapitalistischen Schutzwall zu überwinden, um Sophie ihren geliebten Hund zurückzubringen.
 
Wer Hanna Schotts vor zehn Jahren, zum 20. Jubiläum des Mauerfalls, erschienenes Kinderbuch „Fritzi war hier“ kennt wird bei dieser Beschreibung stutzen: Denn dieser Teil der Handlung wurde von Drehbuchautorin Beate Völcker für die nun ins Kino kommende Adaption erfunden und sticht deutlich hervor. War das Buch, das auf den Berichten von drei Mädchen basierte, die im Herbst 1989 zehn Jahre alt waren der gelungene Versuch, die Wende aus der Perspektive von Kindern zu erzählen, versucht die filmische Adaption Fritzis Geschichte zu einer größeren Geschichte zu machen und eine Coming-of-Age Story zu erzählen.
 
Das ein Spielfilm nicht nur beobachtend sein kann, es nicht ausreichen könnte, historische Ereignisse aus Kinderperspektive zu zeigen, ist zwar einerseits verständlich, führt im Fall von „Fritzi - Eine Wendewundergeschichte“ jedoch zu nicht unproblematischen Verkürzungen. Mit allzu grobem Strich sind viele Figuren gezeichnet, die Anhänger des untergehenden Regimes Klischeehafte Antagonisten, Fritzis Fluchtversuch bis zu seinem Scheitern von großer Naivität geprägt, die Folgen für Fritzi und ihre Familie dann jedoch kaum der Rede wert.
 
Man könnte dies mit der kindlichen Perspektive entschuldigen, doch wirklich überzeugend sind diese Drehbucheinfälle nicht. Viel gelungener sind dagegen die zurückhaltenden Passagen in Leipzig, in denen Fritzi Teil der friedlichen Revolution wird, Regimegegner kennen lernt und an den Montagsdemonstrationen teilnimmt. Nicht zuletzt optisch überzeugen diese Momente, die im Stil den Aquarellbildern der Vorlage nachgeahmt sind, in denen Gerda Raidt die Stimmung des Herbst 89 einfing. Fast dokumentarisch wirken die Szenen in der Nikolaikirche oder auf dem Leipziger Marktplatz, bis ins Detail genau wirkt die Stadt nachgebildet und mit ihr die Atmosphäre, die vor 30 Jahren zur friedlichen Revolution führte. In diesen Passagen gelingt „Fritzi - Eine Wendewundergeschichte“ historische Ereignisse kindgerecht aufzubereiten und sowohl als Film zu überzeugen, wie als Ausgangspunkt für weiterführende Diskussionen.
 
Michael Meyns