The Trouble with Being Born

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Maschinen sind Objekte, hergestellt, um dem Menschen zu dienen. Doch was, wenn diese Maschine ein Android ist und einem etwa zehnjährigen Mädchen täuschend ähnlich sieht? Dieses Konstrukt ist Ausgangspunkt für Sandra Wollners Film „The Trouble with Being Born“, der in kühlen Bildern äußerst unangenehme Fragen stellt.

Website: www.eksystent.com

Österreich/ Deutschland 2019
Regie: Sandra Wollner
Buch: Roderick Warich & Sandra Wollner
Darsteller: Lena Watson, Dominik Warta, Ingrid Burkhard, Jana McKinnon, Susanne Gschwendtner, Simon Hatzl
Länge: 94 Minuten
Verleih: eksystent Filmverleih
Kinostart: 22.4.2021

FILMKRITIK:

Vom ersten Moment an erzeugt Sandra Wollner in ihrem zweiten Spielfilm eine unwirkliche, irritierende, schnell auch unangenehme Stimmung. Noch unter den Titeln deuten mechanisch, technisch klingende Geräusche an, dass die subjektiven Aufnahmen, mit denen der Film beginnt, die eines Roboters, eines Androiden sind. Langsam fährt die Kamera durch einen Wald, unterlegt mit einer Stimme, die zu einem jungen Mädchen zu gehören scheint. Bald fährt die Kamera aus dem Wald auf einen Swimming Pool zu, an dem ein nur mit knapper Badehose bekleideter Mann sich sonnt. Dann tritt das Wesen an ihn heran, dessen Stimme wir hören: Es ist Elli, die wie ein ganz normales, etwa zehnjähriges Mädchen aussieht, bis auf das Gesicht, das seltsam glatt und leblos wirkt.

Elli (Lena Watson) ist ein Android erfahren wir bald, den Mann nennt sie Vater (Dominik Warta). Wir befinden uns in einer nahen Zukunft, in der Androiden zum Alltag gehören, Androiden, die als Ersatz für verstorbene, verschwundene Menschen dienen, Androiden, die alle möglichen Funktionen erfüllen, auch solche, die man sich lieber nicht vorstellen mag.

Denn was anfangs noch wie eine vielleicht etwas zu intime Vater-Tochter-Beziehung wirkte, die den Anschein hatte, als würde ein Vater per Android den Schmerz über den Verlust der Tochter verarbeiten, bekommt schnell inzestuöse Konnotationen.

Ins Detail geht Sandra Wollner hier bewusst und zum Glück nicht, hat bei den Dreharbeiten auch penibel darauf geachtet, dass die junge Schauspielerin, die auch nur per Pseudonym genannt wird, geschützt bleibt. Nach und nach deutet sie an, was mit der echten Elli passiert sein könnte, dass deren Erinnerungen dem Androiden eingepflanzt wurden, allerdings offenbar ohne die Schmerzen, die ihr ihr Vater zugefügt haben muss. Völlig emotionslos bleiben Stimme und Verhalten von Elli, alles was sie erlebt, was mit ihr gemacht wird, nimmt sie regungslos hin, zumindest äußerlich.

Denn nach gut der Hälfte des Films, verlässt Elli den Vater, verläuft sich im Wald oder ist es eine Flucht? Bald wird sie an der Landstraße mitgenommen, von einem Mann, der sie umprogrammiert und seiner alten Mutter als Ersatz für deren vor Jahrzehnten verstorbenen kleinen Bruder andient. Eine neue Rolle für den Androiden Elli, der nun Emil heißt, eine Rolle, die sie – oder er – ebenso stoisch ausführt wie die alte. Doch immer wieder dringen Erinnerungen an das alte Wesen durch, vermischen sich die Identitäten, allein eines ändert sich nicht: Elli, bzw. Emil bleibt Objekt.

Angesichts der Thematik, des unbarmherzigen, schonungslosen Blicks auf Abgründe, muss man bei „The Trouble with Being Born“ unweigerlich an Sandra Wollners Landsmänner wie Ulrich Seidl oder Markus Schleinzer denken. Nicht die schlechteste Gesellschaft für eine junge Regisseurin, die schon mit ihrem Debüt „Das unmögliche Bild“ einen bemerkenswerten Film vorlegte. Auch der Nachfolger entstand noch an der Filmhochschule, überzeugt jedoch schon mit einer kühlen Beherrschung der filmischen Mittel, die seinen erzählerischen Ambitionen in nichts nachsteht. Ein zwar unangenehmer, aber auch faszinierender Film, der Sandra Wollner endgültig als eine der spannendsten Nachwuchsregisseure des deutschsprachigen Raums etabliert.

Michael Meyns