Hive

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Wie der Verkauf von selbstgemachter Paprikapasta zu einem Symbol der Selbstermächtigung wurde, davon erzählt Blerta Basholli in ihrem Debütfilm „Hive“, der in Sundance vielfach ausgezeichnet wurde und vom Kosovo für den Oscar vorgeschlagen wurde. Inhaltlich und ästhetisch zwar konventionell, aber durch seine unaufgeregte Art doch ein ergreifendes Plädoyer für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.

Kosovo/ Schweiz/ Albanien/ Nordmazedonien 2020
Regie & Buch: Blerta Basholli
Darsteller: Yllka Gashi, Çun Lajçi, Aurita Agushi, Kumrije Hoxha, Adriana Matoshi, Molike Maxhuni

Länge: 86 Minuten
Verleih: jip
Kinostart: Herbst 2022

FILMKRITIK:

„Eine Witwe sollte nur Hausarbeit machen, ihre Schwiegereltern respektieren und zu Hause bleiben.“ So wird es Fahrije Hoti gesagt, etwas anderes will die patriarchalische Gesellschaft im Kosovo nicht akzeptieren. 30 Jahre ist Fahrije 1999 alt, am Ende des Kosovo-Krieges, dass die kleine Region im Süden Serbiens, die bald ein unabhängiger Staat werden sollte, mit Gewalt überzog. Zahllose Massaker verübten Soldaten auf beiden Seiten des Krieges, vermutlich war auch Fahrijes Mann unter den Opfern. Vermutlich, denn eine Leiche wurde nie gefunden, eine Situation, die vielleicht noch schlimmer ist, als Gewissheit zu haben.

In der ersten Szene von Blerta Bashollis „Hive“ klettert Fahrije (Yllka Gashi) auf einen Laster der UN und versucht einen Blick in die zahllosen Leichensäcke zu werfen. Doch auch ohne ihren Mann muss das Leben weitergehen, zumal die wirtschaftliche Lage der ohnehin unterentwickelten ländlichen Regionen des Kosovo durch den Krieg noch schlimmer geworden ist. Von den wenigen verbleibenden Männern können Fahrije und die anderen, meist ebenfalls verwitweten Frauen des Dorfes keine Hilfe erwarten und so nehmen sie ihr Schicksal selbst in die Hand.

Ayvar wollen sie verkaufen, ein traditionelles Gericht aus dem Kosovo, das einfach herzustellen ist und am ehesten mit einer Paprikapaste zu vergleichen ist. Mit ihrer Hartnäckigkeit gelingt es Fahrije erste Abnehmer zu finden, Supermärkte erklären sich bereit, ein Regalbrett zur Verfügung zu stellen. Doch allein das Liefern der Ware bereitet Schwierigkeiten, schon das eine Frau allein Auto fährt, sorgt in der konservativen Region für Unmut. Eine Alternative haben die alten Männer des Dorfes allerdings nicht anzubieten, mehr als Tee trinken, Karten spielen und auf das Einhalten der Traditionen beharren können sie nicht und das ist Fahrije und ihren Freundinnen viel zu wenig.

Selbst im Kosovo geboren studierte Autorin und Regisseurin Blerta Basholli an amerikanischen Filmhochschulen, bevor sie in ihre Heimat zurückkehrte, dort einige Kurzfilme realisierte und  schließlich, nach jahrelanger Arbeit, ihren Debütfilm „Hive“ realisieren konnte. Eine wahre Geschichte liegt dem Film zugrunde, über das Schicksal von Fahrije Hoti, ihren persönlicher Verlust, vor allem aber auch ihren Widerstand gegen die patriarchalischen Strukturen wurde international viel berichtet. Die Arbeit der Kooperative im Kosovo, die inzwischen einen Großteil ihrer Produkte ins europäische Ausland exportiert, diente als willkommenes Beispiel für die Widerstandskraft der Frauen des Kosovos und ihr erstarktes Selbstbewusstsein nach dem Krieg.

Dies zu vermitteln ist die größte Qualität von Blerta Bashollis Film, der die Ereignisse in fast dokumentarischer Manier schildert. Ohne größere dramatische Zuspitzung, ohne besondere Ästhetisierung zeigt sie das Geschehen, die verbalen Angriffe und auch körperlichen Übergriffe, denen sich Fahrije und ihre Mitstreiterinnen ausgesetzt sehen, den Druck der dörflichen Strukturen, denen sie sich ausgesetzt sehen und den Erfolg, den sie am Ende haben. Leicht kommt er nicht, eine heroische Geschichte erzählt „Hive“ nicht. Statt dessen ein unprätentiöses Drama, dass sich stark, aber am Ende zurecht, ganz darauf verlässt, einfach nur zu zeigen, wie eine Gruppe von Frauen ihr Schicksal selbst in die Hand nahm.

 

Michael Meyns