Drei Winter

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Mit seinem zweiten Langfilm geht Autor und Regisseur Michael Koch sehr eigene Wege. Inhaltlich, aber auch von der Umsetzung her. Er erzählt seine Geschichte mit reichlich dokumentarischem Flair, was sich auch dadurch ergibt, dass er mit Laien gearbeitet hat. Zudem wird die raue Bergwelt der Schweiz so dargestellt, wie sie ist. Auf Kitsch und einen romantisierenden Blick auf die Berge verzichtet er völlig, während er von einer Liebe erzählt, die erst rein und schön ist, sich dann aber verändert, als einer der Partner sich auch verändert.

Webseite: https://grandfilm.de/drei-winter/

Schweiz / Deutschland 2022
Regie: Michael Koch
Buch: Michael Koch
Darsteller: Michèle Brand, Simon Wisler, Josef Aschwanden

Länge: 136 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 15. Dezember 2022

FILMKRITIK:

In einem Schweizer Alpendorf verändert sich nur selten etwas – da ist es schon was Neues, wenn jemand hinzieht. Jemand wie Marco, der dem Bergbauern Alois unter die Arme greift und auch beim Stammtisch Bekanntschaft mit den anderen schließt. Anna lernt Marco im Gasthaus kennen. Beide verlieben sich ineinander, und sie ist sicher, dass er auch für ihre Tochter aus einer früheren Beziehung ein guter Vater sein wird. Nicht jeder im Dorf ist so zuversichtlich, dass diese Beziehung klappt, doch Marco und Anna haben keine Zweifel. Ihre Liebe ist behutsam und schön. Doch dann beginnt Marco, nach und nach die Kontrolle über seine Impulse zu verlieren …

Der Film lebt von seinem dokumentarischen Ansatz. Michael Koch hält oft die Kamera unbewegt auf die Szenerie und lässt sie sich entwickeln. Er zeigt die Menschen bei ihrem Tagwerk, bei ihrem Leben. Das alles geschieht immer erstaunlich still und zurückhaltend, als wäre er der gänzlich unbeteiligte Beobachter fremder Leben. Dabei hat er sie ersonnen, aber Kochs Ziel war es, einen ehrlichen, authentischen Film zu machen. Das gilt für die Menschen dieses Dorfs, aber auch für die Berge selbst.

Er verzichtet gänzlich auf das übliche Idyll, das man mit der Schweizer Berglandschaft verbindet. Vielmehr reicht sein Blick auch auf die harten Umstände eines Lebens in den Bergen. Er zeigt die Schroffheit der Berge, die Gefahren, die von ihnen ausgehen, und die Menschen, die genau wissen, wie sie sich im Angesicht einer unwirtlichen Landschaft verhalten müssen. Zugleich fühlen sich diese Menschen klein. Ihre Lebensbedingungen sind eingerahmt von den ewigen Bergen, die lange vor ihnen da waren und noch lange nach ihnen da sein werden.

Eine Herausforderung für den Film war, die richtigen Schauspieler zu finden. Koch wollte Ehrlichkeit. Echte Authentizität. Darum suchte er lange nach den richtigen Laien, denn eines war ihm auch klar. Er wollte keine richtigen Schauspieler. Michéle Brand hat Architektur studiert, in Architekturbüros gearbeitet, aber auch als Servicekraft ihr Geld verdient. Sie meldete sich auf eine Anzeige und Koch machte viele Testaufnahmen mit ihr, da sie den Film tragen musste. Simon Wisler ist ein Bergbauer, der sich ein Jahr Bedenkzeit nahm, bevor er zustimmte, in „Drei Winter“ mitzuspielen.

Es ist die Echtheit dieser Performances, die den Film so eindringlich werden lässt, ebenso wie die Geschichte, für die Koch auch vom Tod seiner Cousine an einem Tumor beeinflusst wurde. Ihn faszinierte, wie sich die Persönlichkeit eines Menschen ändern kann, und so begann er, diese Geschichte zu entwickeln. „Drei Winter“ ist dabei kein einfacher Film. Einer, der zum Ausharren einlädt, zum Verweilen, der erstaunlich still daherkommt, aber dadurch umso lauter wirkt. Sehenswertes Kino, das Vergessen macht, dass man nicht echten Menschen zusieht.

 

Peter Osteried