Overdrive

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Ein Film wie ein Abenteuerspielplatz! Das Drehbuch setzt dabei weniger auf tiefgründige Charaktere als auf offenkundige Effekte und coole Dialoge. Immerhin bietet der Streifen mit Scott Eastwood und Freddie Thorp als luxuskarrensüchtige Autodiebe einige prächtige Verfolgungsjagden und ist für Actionfans bestens geeignet. Einiges geht zu Bruch, ein bisschen Humor ist ebenfalls dabei. Allzu viel Tiefgang sollte man jedoch nicht erwarten. Als Zugabe gibt es tolle Bilder aus Südfrankreich und eine Parade der tollsten Sportwagen aus den letzten 80 Jahren.

Webseite: www.overdrive-film.de

Frankreich, USA 2017
Regie: Antonio Negret
Drehbuch: Michael Brandt, Derek Haas
Darsteller: Scott Eastwood, Freddie Thorp, Ana de Armas, Simon Abkarian, Gaia Weiss, Clemens Schick
96 Minuten
Verleih: Universum Film
Kinostart: 29. Juni 2017

FILMKRITIK:

Hier geht’s eindeutig um Autos. Schon der Beginn lässt Gutes hoffen: eine Verfolgungsjagd vom feinsten, an deren Ende ein alter Bugatti den Besitzer wechselt. Verantwortlich dafür sind die Halbbrüder Andrew und Garrett Foster, die ihr Betätigungsfeld nach Frankreich verlegt haben. Dabei machen sie sich unglücklicherweise gleich bei zwei Gangsterbossen unbeliebt, die zu allem Überfluss (und nicht ganz unerwartet) miteinander verfeindet sind und jeweils Marseille für sich beanspruchen. Der eine ist ein lokaler Mafiaboss mit sensationell guten Beziehungen, der andere ein Deutscher, der sich an der Riviera etablieren möchte. Beide sind stinkreich, neigen zum Sadismus und lieben alte Renn- und Sportwagen, die gar nicht teuer genug sein können. Ziemlich schnell erkennen die Foster-Jungs, dass sie sich in Lebensgefahr befinden. Um ihre Haut zu retten, müssen sie sich möglichst bald was einfallen lassen, und dafür sammeln sie einige begabte Leute um sich, die ihnen helfen sollen, unbeschadet wieder aus der Sache herauszukommen. Jetzt brauchen sie nur noch einen Plan.
 
Da kommt einem doch so einiges bekannt vor … die Kenner – aber, wir sind in Frankreich, also: die Connaisseure von Actionfilmen könnten sofort ca. 4 bis 10 Filme aufzählen, in denen es um Autos bzw. um den Kampf Gut gegen Böse mit Hilfe von ca. 10 Eleven geht. Der Clou ist eigentlich dabei, dass die Hauptdarsteller hier gar nicht die Hauptrolle spielen. Beinahe scheint es, als ob die beiden Drehbuchautoren Michael Brandt und Derek Haas (u. a. „Wanted“) ihre ganze Liebe und Zuneigung den wirklich wunderschönen Fahrzeugen geschenkt haben, die nicht nur Autofahrerherzen schneller schlagen lassen. Vom Bugatti bis zum legendären Ferrari 250 GT – der Blick in die Sammlergarage ist einfach atemberaubend. Aber ob sie wohl ohne Kratzer das Ende des Films erreichen?
 
Scott Eastwood, immer mehr das Abbild seines Vaters, sieht gut aus, hat wenig zu sagen und erfüllt seine kargen schauspielerischen Aufgaben mit einer gewissen freundlichen Lässigkeit. Freddie Thorp spielt eine kesse Quasselstrippe, der lieber quatscht als nachzudenken. Die waghalsigen Brüder teilen ihre Vorliebe für schnelle Flitzer, sie sind zwei wirklich fanatische Autonarren und Autodiebe, also so etwas wie Edel-Kriminelle. Nebenbei sind sie auch Konkurrenten im Kampf darum, wer von ihnen der Coolere ist. Wenn es allerdings um Frauen geht, endet der Wettstreit zwischen den beiden. In Herzensangelegenheiten ist man hier sehr brav. Mit am schönsten an dem ansonsten wenig raffinierten Plot ist, dass die Frauen nicht nur Staffage, sondern tatsächlich mehr als Stichwortgeber sind: Ana de Armas und Gaia Weiss spielen Stephanie und Devin, die beiden Freundinnen der Brüder. Sie erweisen sich als ebenbürtige Partnerinnen mit Witz und Köpfchen. Apropos Witz: Was den Humor betrifft, wurde das Drehbuch nach Fertigstellung offenbar noch mal durch die Gagmaschine gezogen. Einige Dialoge wirken, als ob die Autoren beim Schreiben dachten, hier müsste man die Action noch ein bisschen aufheitern. Möglicherweise liegt’s auch an der Synchronisation. Das Ganze wirkt ein bisschen überzogen – aber vielleicht publikumswirksam gestylt für die verwöhnte Jugend? Doch auch wenn der Film insgesamt etwas weniger Drive hat, als der Titel vermuten lässt, so bietet er doch ein unterhaltsames Spektakel vor der großartigen Kulisse der französischen Riviera.
 
Gaby Sikorski