Aalto

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Er gilt als „Vater des Modernismus“, entwarf Bibliotheken und Kirchen, aber auch Vasen und Stühle: Der finnische Architekt Alvar Aalto, der jedoch kaum ohne seine Frau Aino zu denken ist. Auch deswegen nennt Regisseurin Virpi Suutari ihre Dokumentation „Aalto“, geht es doch nicht nur um den Mann, sondern auch um die Frau, die viel mehr war als nur die Frau an seiner Seite.

Website: https://salzgeber.de/de/film/aalto/

Dokumentation
Finnland 2019
Regie:Virpi Suutari
Buch: Virpi Suutari und Jussi Rautaniemi
Länge: 103 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 12. November 2020

FILMKRITIK:

Zumindest in der ersten Hälfte ist Virpi Suutaris Film „Aalto“ ein Doppelporträt, zeigt nicht nur das frühe Leben von Alvar Aalto, sondern auch die Bedeutung, die die Beziehung zu seiner Frau Aino für Leben und Arbeit des finnischen Architekten hatte. 1924 heiratete das Paar, er war damals 26, sie vier Jahre älter und sollten bald die Aufträge bekommen, die Aalto  berühmt machten. Ein Redaktionsgebäude, eine Stadtbibliothek, vor allem aber ein Sanatorium. Hier, in Paimio, entwickelte Aalto zum ersten Mal seine Idee vom organischen Bauen, das stark vom Bauhaus beeinflusst war und im besten Sinne die Form der Funktion folgen ließ, ohne dabei kalt und funktionalistisch zu werden.

Während der Arbeit an dem Entwurf musste Aalto selbst für einige Tage in ein Krankenhaus und erkannte, dass ein Kranker die Welt anders sieht, als ein Gesunder. So entwarf er das Sanatorium stets mit dem Gedanken so zu bauen, wie es den Bedürfnissen der Patienten am besten entspricht, setzte weiche, fließende Formen ein, dachte an offene Blicke über grüne Landschaft und vor allem auch an die Inneneinrichtung.

Nicht nur das Gebäude an sich entwarfen Aalto und seine Frau – die bei den Entwürfen stets mitzeichnete – sondern auch die Möbel. So wie etwa Mies van der Rohe und sein berühmter Barcelona Sessel, entwarf auch Aalto Sitzmöbel oder Hocker, später auch die berühmte Aalto-Vase, die den Namen ihres Erfinders zu übernehmen scheint: Denn Aalto bedeutet Welle und so fließt die asymmetrische Vase dahin, wenn man mag, kann man die Natur Finnlands, mit ihren vielen Seen im Grundriss erahnen.

So oder so ein Klassiker des Designs der auch im 21. Jahrhundert noch hergestellt wird und ebenso zeitlos wirkt wie die Bauten Aaltos. Viele von ihnen zeigt Suutari in langen Einstellungen, lässt die Architektur wirken, erklärt von Bewunderern und Kollegen. Doch nicht nur das Werk von Aalto zeigt die Dokumentation, auch der Mensch hinter den Gebäuden wird beleuchtet. Unzählige Archivaufnahmen sind zu sehen, vor allem aber auch Briefe zu hören, die Alvar an seine beiden Frauen schrieb.

Denn schon 1949 starb Aino, die erste seiner beiden großen Lieben. Einige Jahre später wurde Elissa Mäkienemi, ebenfalls Architektin und Designerin, Alvar Aaltos zweite Frau. So wie Aino war auch Elissa mehr als die Frau an seiner Seite, entwickelte zusammen mit ihrem Mann dessen zukünftige Entwürfe, die ihn auch in Deutschland, in Bremen und Wolfsburg, bauen ließen.

In seiner finnischen Heimat ist kein Architekt berühmter als Alvar Aalto, vor der Einführung des Euros zierte sein Bild eine Banknote, eine Universität ist nach ihm benannt, nun also ein umfassender Film, der Werk und Leben Aaltos eindrucksvoll in Szene setzt.

Michael Meyns