Alles ist 1. Ausser der O.

Zum Vergrößern klicken

In den frühen 1980er Jahren waren Computer noch etwas Exotisches. Der Normalbürger konnte sich kaum etwas darunter vorstellen, Filme wie „Wargames“ machten aus ihm etwas Unheimliches, die wahre Dimension dessen, was mit dem Computer-Zeitalter eingeläutet werden sollte, war damals aber nur wenigen bewusst. Zu diesen Wenigen gehören die Aktivisten des Chaos Computer Clubs, die die Informationsgesellschaft als Nonplusultra sahen, getreu dem Motto, dass jede Ressource begrenzt ist, nur die Information steht unbegrenzt zur Verfügung – und muss transparent jedem zugänglich gemacht werden. Dieser Dokumentarfilm befasst sich mit den Anfängen des CCC - und ist eine faszinierende Geschichtsstunde.

Website: https://allesisteins.film/

Deutschland 2020
Regie + Drehbuch: Klaus Maeck, Tanja Schwerdorf
Darsteller: Peter Glaser, Wau Holland, Linus Neumann
Länge: 90 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 29.7.2021

FILMKRITIK:

Sie waren Aktivisten, Spione, Genies im Umgang mit dem Computer: Die Hacker des Chaos Computer Clubs waren die Aufklärer in einer Zeit, in der die Computertechnik für Viele ein Fremdwort war – zumindest aber ein Buch mit sieben Siegeln, das inmitten eines böhmischen Dorfs lag. Die Mitglieder des CCC zeigten darum auch mit wenig Aufwand, wo die Tücken in der fortschreitenden computerisierten Welt lagen. Das Passwort einer Sparkasse errieten sie einfach, indem sie als erstes die Telefonnummer des Benutzers ausprobierten. Das Ergebnis war korrekt.

Am Anfang des CCC stand Wau Holland, Deutschlands erster digitaler Bürgerrechtler. Er gründete den Club, machte mit spektakulären Hacks auf sich aufmerksam. Er stand für den ungehinderten sozialen Austausch mit den Mitteln der Technik, einer Digitalisierung, die Heilsbringer sein konnte, die aber auch immer mit Gefahren verbunden war, wenn der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft dadurch unterminiert wurde.

Der Film „Alles ist eins. Außer der 0.“ dringt in diese Frühzeit des CCC ein, zeichnet dabei aber auch ein Bild der damaligen Republik, in der Hausdurchsuchungen beim Chaos Computer Club stattfanden, nachdem dieser den deutschen Geheimdienst, aber auch die entsprechenden Firmen auf Sicherheitslücken aufmerksam machten.

Das ist ein Teil des Films, ein anderer ist, dass er zwar von der Vergangenheit erzählt, aber für die Gegenwart wichtig ist. Weil er zeigt, dass die großen Fragen unserer Gesellschaft schon damals gedacht wurden – wenn auch die meisten die Gedanken von Wau Holland ignorierten. Dabei war es visionär, was hier gesagt und getan wurde. Indem die heutige Dynamik des Internets vorweggenommen wird, in der Meinung sehr schnell auch zur Waffe werden kann – oder man sich durch sie zum Ziel macht.

Die Gesellschaft ist auch wegen der Bestrebungen des CCC offener geworden. Nach dem Tschernobyl-Gau waren es die Aktivisten des CCC, die Informationen offenlegten, die offizielle Stellen lieber verschwiegen. Sie waren es auch, die Desinformation als solche enttarnten. Das macht die Geschichte des CCC auch spannend wie einen Thriller, mit allem, was dazu gehört. Spionage, Geheimdienste, Mordkomplotte – und das alles in einer sich rasant ändernden Welt, anderen logischen Endpunkt wir heute leben. Umso wichtiger ist es, den Blick auf die Anfänge zurückzuwerfen, auch, um zu verstehen, wie wir dort ankamen, wo wir sind. Eine faszinierende Geschichtsstunde.

Peter Osteried