Boxerin, Die

Deutschland 2005
Regie: Catharina Deus
Darsteller: Katharina Wackernagel, Fanny Staffa, Manon Straché, Martin Brambach, Devid Striesow, Teresa Weißbach, Marc Richter
105 Minuten
Stardust Verleih
www.stardust-filmverleih.de

Durchboxen muss man sich im Leben. Vor allem, wenn man aus der ostdeutschen Provinz kommt, in der viele Jugendliche nichts außer Arbeitslosigkeit kennen. Catharina Deus erzählt von der 17-jährigen Joe, die nichts im Leben hat – außer Boxen.

Willkommen in der Provinz, oder wie es Stella (Fanny Staffa) sagt, „in der emotionalen Wüste“. Eberswalde, Brandenburg – hier zeigt Regisseurin Catharina Deus in ihrem Debütfilm die 17-jährige Joe, gespielt von der zehn Jahre älteren Katharina Wackernagel, die viele noch als wackere Sportjournalistengattin aus „Das Wunder von Bern“ (2003) kennen dürften.

Doch während sie in Sönke Wortmanns Film für Glamour, Wohlstand und deutsches Wirtschaftswachstum in den Fünfzigern stand, verkörpert ihre Rolle in „Die Boxerin“ das genaue Gegenteil. Joes Vater ist bei einem Unfall gestorben, ihre jüngere Schwester glänzt meist durch Abwesenheit, während sich die Mutter als Putzfrau durchschlägt und nicht davor zurückschreckt, mit den Männern ins Bett zu gehen, denen sie noch eine Menge Geld schuldet.

Eberswalde ist Abziehbild und Alltag der ostdeutschen Nachwendezeit, die ihren Jugendlichen außer Arbeitslosigkeit nicht viel bieten kann. Joe pendelt zwischen Sozialhilfe und Gelegenheitsjobs, die Schule hat sie längst geschmissen. Joe ist eine Außenseiterin, genau wie Hilary Swank in Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ und siehe da, mit den gleichen Ambitionen: Sie will Boxerin werden.

Catharina Deus vermeidet es glücklicherweise, aus ihrer Milieustudie ein Melodram werden zu lassen. In ihrem Film gibt es viele Verlierer und nur wenige Gewinner. Einer von ihnen ist der finanziell abgesicherte Schwerenöter Mario (Devid Striesow), mit dem sich Joe in eine kurze Romanze stürzt. Doch ein Leben als Hausfrau schmeckt dem zähen Mädchen schon nach wenigen Tagen nicht mehr.

Fast schon bedauerlich ist es, dass Katharina Wackernagel fast ausschließlich für Fernsehen arbeitet. Ihre Leinwandpräsenz ist von solcher Intensität und Wucht, während sie in ihrer Rolle zwischen Wut, Selbsthass und Verzweiflung ungemein überzeugt. Und sogar boxen kann sie. Keine falschen Schnitte, keine Tricks – Katharina Wackernagel dürfte wochenlang am Sandsack trainiert haben, bis die Haken, Upper-Cuts und selbst Liegstütze echt aussahen.

Das sinnbildliche Durchboxen gelingt ihrer Figur Joe dennoch nicht auf Anhieb.
Mann mag es Lokalkolorit nennen den Catharina Deus sehr genau beobachtet hat, wenn die grell geschminkten Mandys und Cindys das graue Mauerblümchen Joe ausschließen, während die arbeitslosen Kollegen im Boxstall mit rasierten Köpfen, platten Sprüchen und roher Gewalt auf sich aufmerksam machen.

Sicher ist: „Die Boxerin“ hat genau die Wucht, die man sich vom Neuen Deutschen Film wünscht, weil soziale Konflikte aufmerksam seziert werden wollen. Catharina Deus ist damit ein aufregender, aber gleichzeitig erfrischend undramatischer Film gelungen, voller Ernsthaftigkeit und Wahrheit.

David Siems