Delia’s Gone

Zum Vergrößern klicken

Manchmal hat man ein hervorragendes Ensemble, bei dem man weiß, dass es auch komplexe Rollen in einer vielschichtigen Geschichte grandios meistern wird. Aber der Film wird dem dann nicht gerecht. Es beginnt beim Drehbuch, setzt sich jedoch über die Regie fort. Robert Budreau zeichnet für beides verantwortlich. Er erzählt die Geschichte eines mental gehandicapten Mannes, der für den Totschlag an seiner Schwester im Gefängnis war, jetzt aber herauszufinden versucht, wer wirklich für ihr Ableben verantwortlich ist – in recht vorhersehbaren Bahnen.

Webseite: https://www.kinostar.com/filmverleih/category/movie/movie-soon-startpage/

USA 2022
Regie: Robert Budreau
Buch: Robert Budreau
Darsteller: Paul Walter Hauser, Marisa Tomei, Travis Fimmel

Länge: 90 Minuten
Verleih: Kinostar
Kinostart: 13. Oktober 2022

FILMKRITIK:

Seitdem er als Kind fast ertrunken ist, ist Louis etwas simpel gestrickt. Seine Schwester Delia passt mittlerweile auf ihn auf, doch als er eines Morgens aufwacht, nachdem er etwas getrunken hat, liegt Delia tot auf dem Boden – und die Polizei steht vor der Tür. Louis wird wegen Totschlags verurteilt. Sieben Jahre später ist er wieder auf freiem Fuß, als Stacker Cole, einer von Delias Freunden, ihn aufsucht und ihm erzählt, dass in dieser Nacht mehr passiert ist. Das lässt Louis ausflippen. Er schlägt den Leiter des Heims nieder, in dem er wohnt, und macht sich auf den Weg, die Männer zu finden, die mit Delias Tod zu tun haben könnten.

Die Prämisse des Films ist wirklich interessant. Es ist keine typische Rache-Geschichte – der Rache-Aspekt ergibt sich eigentlich eher, weil Louis einfach gestrickt ist, eine Waffe hat, und die Männer, mit denen er sprechen will, sich wehren. Aber eigentlich möchte er nur endlich erfahren, wieso ihm seine Schwester genommen wurde. Dass er für eine Tat einsaß, die er nicht beging, ist ihm egal. Ihm geht es um die Wahrheit. Stephan James spielt Louis. Er ist gut, er hat die Ticks drauf, die Manierismen, im Grunde alles, was man mit Autismus in Verbindung bringt, auch wenn Louis durch einen Hirnschaden so wurde. Was er nicht hat: Eine Geschichte, die packend ist.

Denn es braucht nicht viel, um zu erahnen, wer warum wie an Delias Tod und der Vertuschung beteiligt war. Robert Budreau präsentiert das alles in seinem Film, und das so glasklar, dass gar keine andere Möglichkeit mehr zulässig wäre. Es ist aber nicht nur die vorhersehbare Geschichte mit den wenig ausgefeilten Figuren, es ist auch die Machart, die dem Film schadet. Er ist spröde, trist, visuell völlig frei von jedem Reiz. Kurz gesagt: Als Fernsehproduktion wäre das noch ordentlicher Durchschnitt, im Kino leidet der Film an seinem unaufgeregten Look.

Das Einzige, das für ihn spricht, sind die Darsteller. Mit Marisa Tomei, Travis Fimmel und Paul Walter Hauser, der zur Abwechslung mal nicht den übereifrigen, leicht arroganten Idioten spielt, hat der Film ein starkes Ensemble. Nur bekommt keiner von ihnen wirklich etwas zu tun. Weil die Figuren nie überraschen. Wenn überhaupt etwas aus der Norm fällt, dann die Art, wie Marisa Tomeis Figur ihren von Hauser gespielten Kollegen immer wieder heruntermacht. Aber auch das ist nur ein eher erzwungener Teil der Geschichte, da der Sheriff damit auch zum Verdacht kommen muss, dass seine Kollegin etwas zu verbergen hat.

„Delia’s Gone“ wird der eigenen Ambition nicht gerecht. Ein Film, der zu sehr plätschert, woran auch die namhaften Schauspieler nichts ändern können.

 

Peter Osteried