Dogs Don’t Wear Pants

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BDSM als Trauertherapie. Diesen mehr als ungewöhnlichen Ansatz entwickelt der finnische Regisseur J.-P. Valkeapää in „Dogs don’t wear pants“ zu einem oft schwarzhumorigen Porträt eines Mannes, der seine Frau verloren hat – und mit ihr sein sexuelles Verlangen.

Website: www.cinemaobscure.org/2021/07/dogspants.html

Koirat eivät käytä housuja
Finnland/Lettland 2019
Regie: J.-P. Valkeapää
Buch: J.-P. Valkeapää, Juhana Lumme
Darsteller: Pekka Strang, Krista Kosonen, Ilona Huhta, Ellen Karppo, Ester Geislerová
Länge: 105 Minuten
Verleih: Drop-Out Cinema
Kinostart: 23.9.2021

FILMKRITIK:

An einem wunderschönen Morgen verliert Juha (Pekka Strang) fast alles. Gerade hat er noch seine Frau und Tochter an der Tür verabschiedet, liegt entspannt im Bett und genießt die Sonnenstrahlen, da packt ihn das Entsetzen. Und Sekunden später wird der Verdacht zur Gewissheit: Seine Frau ist im See ertrunken, fast stirbt auch Juha selbst, bekommt beim Rettungsversuch keine Luft, taucht gerade noch auf.

Jahre später, die Tochter Elli (Ilona Huhta) wird bald 16, Juha geht apathisch seinem Beruf als Chirurg nach und befindet sich immer noch in tiefer Trauer. Vor allem seine sexuelle Energie ist auf dem Nullpunkt, allein das Parfüm seiner Frau und das Kleid, das sie am Tag ihres Todes trug, erregen ihn noch, doch das wird sich bald ändern. Als seine Tochter als Geburtstagsgeschenk ein Zungenpiercing bekommt, gerät Juha zufällig ins angrenzende Studio – und trifft auf die Dominatrix Mona (Krista Kosonen). Sie überfällt ihn geradezu, schnürt ihm den Atem ab, tritt auf seine Hand, doch im Moment des Schmerzes, empfindet Juha mehr, als er seit Jahren gespürt hat. Als ihm die Luft wegbleibt fühlt er sich in den See zurückversetzt, meint im Rausch seine Frau zu sehen – und bekommt eine Erektion.

Immer häufiger will Juha fortan von Elli dominiert werden, immer länger und extremer sollen die Sitzungen werden, während der er seiner Frau nahe sein will. Doch die Folgen der Sitzungen sind nicht nur psychisch zu spüren, auch physisch ist Juha von seinen Kollegen im Krankenhaus, vor allem aber auch seiner Tochter anzusehen, dass er nicht mehr derselbe ist.

In manchen Momenten mutet „Dogs don’t wear pants“ wie ein erwachsenes Arthouse Gegenstück zur „50 Shades of Grey“-Reihe an. Nur auf finnisch, mit deutlich mehr Originalität und Humor, aber mit ähnlichen Problemen in der Darstellung der BDSM-Kultur. Angesichts des spannenden, ambitionierten Konzepts mag man es umso mehr bedauern, dass auch J.-P. Valkeapää – der sich fürs Drehbuch mit Juhana Lumme weibliche Unterstützung geholt hat – bisweilen in Klischees verfällt. Gerade die Zeichnung der Domina Mona bleibt etwas blass, ihre Motivation unbestimmt, ihr Verhältnis zu Juha ungenau.

Dennoch, gerade die Dynamik zwischen den beiden Hauptdarstellern Pekka Strang (vor kurzem als „Tom of Finland“ in Deutschland im Kino zu sehen) und Krista Kosonen (demnächst in „Tove“ zu sehen, einem anderen Film über eine berühmte Finnin) macht „Dogs don’t wear pants“ zu einem spannenden Blick in emotionale Tiefen. Denn nicht um sexuelle Abgründe handelt es sich hier, auch wenn die Sitzungen bei der Domina gewiss über das hinausgehen, was für viele als „normal“ bezeichnet wird, sondern um Trauerbewältigung.

Erlittenen Schmerz durch neuen Schmerz zu überwinden, dass ist die Essenz des sehr speziellen Verhältnisses zwischen Juha und Mona, sicherlich eine der ungewöhnlichsten Beziehungen des Kinojahres.

Michael Meyns