Drei Etagen

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Zwischen Ironie und Melodrama hat sich der italienische Regisseur Nanni Moretti im Lauf seiner Karriere bewegt, im besten Fall so mitreißend wie in „Das Zimmer seines Sohnes“ für den er mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Auch sein neuer Film „Drei Etagen“ lief in Cannes, doch eher aus sentimentalen Gründen, denn zu Morettis besten Filmen zählt sein neues Werk nicht.

Website: www.happy-entertainment.de

Tre Piani
Italien 2020
Regie: Nanni Moretti
Buch: Nanni Moretti, Federica Pontremoli, Valia Santella, nach dem Roman von Eshkol Nevo
Darsteller: Riccardo Scamarcio, Margherita Buy, Alba Rohrwacher, Adriano Giannini, Elena Lietti, Nanni Moretti
Länge: 119 Minuten
Verleih: Happy Entertainment/24 Bilder
Kinostart: 17. März 2022

FILMKRITIK:

Drei Geschichten erzählt Moretti in „Tre Piani/ Drei Etagen“, die sich mehr schlecht als recht zu einem Gesellschaftsporträt formen. Verbindendes Element ist ein Reihenhaus in Rom, wo die Figuren in bürgerlichen Verhältnissen leben. Zum Beispiel die hochschwangere Monica (Alba Rohrwacher), die gerade nach Hause kommt, als sie auf der Straße beobachtet, wie Andrea (Alessandro Sperduti) mit dem Auto nach Hause rast und dabei eine Frau tötet. Reue zeigt der Junge nicht, sehr zum Leidwesen seiner Eltern, den Richtern Dora (Margherita Buy) und Vittorio (Nanni Moretti). Doch während der Vater darauf besteht, dass sich der Sohn vor Gericht verantworten und ins Gefängnis muss, versucht die Mutter alles, um ihren Sohn vor einer Strafe zu bewahren.

Die Wohnung, in die Andrea gekracht ist, gehört Lucio (Riccardo Scamarcio) und Sara (Elena Lietti), die ihre kleine Tochter gerne vom älteren Nachbarpaar Renato (Paolo Graziosi) und Giovanna (Anna Bonaiuto) betreuen lassen. Und das obwohl Renato deutliche Zeichen von Demenz entwickelt, so dass er eines Tages die Tochter im Park vergisst. Durch ein Missverständnis entsteht gar der Verdacht, Renato habe das Mädchen sexuell belästigt. Renato wiederum hat eine Enkelin namens Charlotte (Denise Tantucci), die unverhohlen mit Lucio flirtet, der den Reizen des jungen Mädchens nicht widersteht, obwohl diese minderjährig ist.

Und schließlich Monica, die bald einen Sohn zur Welt bringt, was ihren Mann Giorgio (Adriano Giannini) wenig erfreut. Statt dessen steigert sich Giorgio in seine Antipathie gegenüber seinem Bruder Roberto (Stefano Dionisi), der sich immer mehr in das Leben des Paares hineindrängt.

Variationen ihrer früheren, erfolgreichen Filme zu drehen ist nichts ungewöhnliches für Filmemacher, nicht immer muss das ein Zeichen für versiegende Kreativität sein. Doch das Nanni Moretti bei „Tre Piani“ zum erste Mal in seiner Karriere kein Originaldrehbuch geschrieben und verfilmt hat, sondern einen Roman als Vorlage nimmt, lässt aufhorchen. Warum den Italiener das Buch des israelischen Autors Eshkol Nevo ansprach ist leicht nachzuvollziehen. Typische Moretti-Themen werden hier verhandelt, von Schuld und tragischen Ereignissen ist die Rede, die Familien auseinanderreißen oder zerstören.

Doch wie Moretti in den drei Etagen, drei Familien zeigt, wirkt oft ein wenig schematisch. Weniger wie runde, lebendige Charaktere muten die Figuren an, sondern wie Typen, die bestimmte Themen repräsentieren sollen. „Wichtige“ Fragen werden angerissen, die Schwierigkeit betont, klare moralische Urteile zu fällen. Und mit all seiner Erfahrung ist Moretti natürlich auch ein souveräner Regisseur, der weiß wie er auf der emotionalen Klaviatur spielen muss, um Reaktionen zu erzeugen. Dennoch erweist sich „Tre Piani“ als zu behäbig, zu routiniert, zu wenig originell, um wirklich zu überzeugen. Als Alterswerk könnte man „Tre Piani“ freundlicherweise bezeichnen, als Film, der Fans des italienischen Regisseurs das gibt, was sie von ihm gewohnt sind, allerdings auch nicht mehr.

Michael Meyns