El Abrazo Partido

Argentinien 2004
Regie: Daniel Burman
Darsteller: Daniel Hendler, Adriana Aizemberg, Sergio Boris, Rosita Londner
Start: 21.7.
Länge: 100 Minuten
Pegasos

Inmitten dem emsigen Treiben jüdischer Geschäftsleute in einer Ladenpassage von Buenos Aires sucht der Student Ariel nach seinen Wurzeln, die ihm den Schlüssel zu einer glücklichen Zukunft liefern sollen. Das lebensnahe Porträt einer Generation in der Schwebe bietet subtile Komik, lakonische Weltsicht und herzergreifende Geschichten.

Die kleine Ladenpassage „La Galeria“ im Zentrum von Buenos Aires gehört nicht gerade zu den Schmuckstücken der Stadt. Die Besitzer sind mit ihren Geschäften alt geworden und müssen nun teilweise erleben, dass ihre Ware aus der Mode gekommen ist. Nur ein Internetcafé, das ein Greis seiner viel zu jungen Frau eingerichtet hat und der Feng-Shui-Laden eines jungen koreanischen Pärchens  zeugen von einer wagen Zukunftsperspektive für die Menschen, die hier arbeiten. Eine Zukunft, die Ariel (Daniel Hendler) aber nicht mehr mit ihnen teilen möchte. Der Student hat sein Architekturstudium abgebrochen und arbeitet vorrübergehend im Laden seiner Mutter. Der gehört in der Passage das kleine Dessous-Geschäft, das noch immer den Namen von Elias trägt, dem Vater, der kurz nach Ariels Geburt in den 70er Jahren nach Israel reiste und noch immer da lebt. Ariel träumt von einem Neuanfang irgendwo in Europa. Der Schüssel zu dieser verheißungsvollen Zukunft liegt aber in der Vergangenheit. Die Großeltern stammen aus Polen, von wo sie auf der Flucht vor dem Holocaust nach Argentinien kamen. Ihre Papiere sollen Ariel bei der Beschaffung eines polnischen Passes helfen. Während Ariel zwischen Vergangenheit und Zukunft eine neue Identität sucht, wirft er noch einen letzten Blick auf seine jetzige Welt: da ist sein emsiger Bruder Joseph , der sich eher verzweifelt als erfolgreich im Import-Export-Geschäft versucht. Wenig Perspektive bieten auch die dubiosen Geschäfte, die Ariels Freund Mitelman betreibt, Rettung soll eine hübsche Litauerin bringen. Aber auch Ariel hat seine heimliche Affäre mit der sinnlichen Rosa, die in unbeobachteten Momenten ihr Internetcafé verlässt und in die Damenumkleide des Dessousladens schlüpft. Überhaupt geht es aufgeregt unaufgeregt zu in diesem Kosmos der Kulturen, in dem sich jüdische Flüchtlinge aus allen Teilen Europas zusammengefunden haben. Da wird auch schon mal der Streit über die Abrechnungsmodalitäten mit einem Sackkarrenrennen auf der Straße entschieden.  Während auch Ariel amüsiert dem ungewöhnlichen Wettstreit zuschaut, blickt er plötzlich in das Gesicht seines Vaters. Irritiert rennt er davon.  Unfähig mit der Wut und Enttäuschung auf den solange vermissten Vater fertig zu werden, sucht Ariel Antworten auf unbeantworteten Fragen in der Geschichte seiner Familie. Bei Gesprächen mit dem Rabbi und seiner Mutter wird er fündig, doch das nun gelüftete Geheimnis fällt anders aus, als von ihm erwartet.

Der junge Regisseur Daniel Burman hat in dieser sanften Tragikomödie auch autobiografische Momente seiner eigenen jüdisch-polnischen Wurzel verarbeitet. Ihm gelingt hier ein ebenso pralles, wie einfühlsames Porträt einer Generation in der Schwebe. Zwischen schwieriger Vergangenheit und ungewisser Zukunft müssen die Menschen dennoch mit ihrem Alltag fertig werden. Dabei kombiniert der Regisseur in seinem Film schnelle, aus der Hüfte geschossene Bilder mit genüsslich ausgebreiteten Anekdoten. In den vielen Rhythmuswechseln greift der Regisseur die Gegensatze in Ariels kleiner Welt auf. Am Ende ist es nicht der reisewillige Ariel, sondern ausgerechnet der Rabbi, der diesen jüdischen Kosmos Richtung Miami verlässt, während Ariel lernt, selbstgefällige Urteile zu revidieren, die Widersprüche in Viten zu akzeptieren und das Glück zu umarmen, wenn es vor einem steht.

Norbert Raffelsiefen