Fremde Haut

Deutschland 2005
Regie: Angelina Maccarone
Darsteller: Jasmin Tabatabai, Navid Akhavan, Anneke Kim Sarnau, Hinnerk Schönemann, Jens Münchow, Simon Schwarz
97 Minuten
Verleih: Ventura Film
Start am 20.10.05
www.ventura-film.de

Daheim drohen ihr Gefängnis und Folter, wohlmöglich gar die Todesstrafe. Als ihr Verhältnis mit einer verheirateten Frau auffliegt, flieht Fariba (Jasmin Tabatabai) aus Teheran nach Deutschland, droht aber wieder abgeschoben zu werden. Trotzdem gelangt sie unverhofft in den Besitz einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung, in der schwäbischen Provinz spart sie mit Schwarzarbeit auf Geld für einen falschen Pass – und verliebt sich aufs Neue.

Allerhand, was der Bundesgrenzschutz für die Anerkennung auf Asyl da von Fariba verlangt: „Haben Sie das Todesurteil als beglaubigte Kopie mitgebracht?“, fragt der Beamte die Antragstellerin aus Teheran. Doch ohne ein solches Papier, das ahnt die sehr gut deutsch sprechende Dolmetscherin Fariba, wird ihre Flucht vor den Sittenwächtern im Iran nur von kurzer Dauer sein. Fast schon findet sie sich mit ihrem Schicksal, abgeschoben zu werden, ab, da eröffnet sich ihr doch noch ein Ausweg: der mit ihr eingereiste Siamak Mustafai (Navid Akhavan) hat sich aus Verzweiflung das Leben genommen. In seinem Anzug, mit seiner Brille auf der Nase und seinem Haarschnitt, kurz: mit seiner Identität und auf ihn ausgestellten Papieren kann sie mit einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung das „Niemandsland“ am Frankfurter Flughafen verlassen. Sie landet in einem Asylantenheim in der schwäbischen Provinz, teilt dort mit einem Weißrussen das Zimmer, verdient sich in Schwarzarbeit in einer Sauerkrautfabrik Geld für einen falschen Pass. Hier lernt sie auch Anne (Anneke Kim Sarnau) kennen, zu der sie zögernd Vertrauen gewinnt und ihr irgendwann ihre wirkliche Identität eingesteht.

„Fremde Haut“, von Regisseurin Angelica Maccarone zusammen mit ihrer Kamerafrau Judith Kaufmann („Scherbentanz“, „Erbsen auf halb sechs“) entwickelt, ist nicht allein nur ein Asylantendrama. Ganz wesentlich für das Seelenleben der Hauptfiguren sind auch die Themen von Liebe und Identität, und zwar kultureller wie sexueller Natur. So musste Fariba in ihrer Heimat die Zuneigung zu einer anderen Frau öffentlich streng geheim halten, jetzt, in Deutschland, bedeutet Freiheit für sie, die Identität eines toten Landsmanns anzunehmen. Ob im Asylantenheim oder in der Sauerkrautfabrik, allein schon die Körperhygiene wird da zu einem großen Problem und zur Gefahr für ihr Geheimnis.

Doch Fariba ist eine starke Frau mit einem großen Überlebenswillen, aber auch mit dem Vertrauen in ihre Religion und Kultur. Die Hand Fatimas begleitet sie als Talisman. Am Grab von Siamak, dessen Leichnam sie nach dessen Freitod in einem Koffer mitnahm und begrub, legt sie die Kette, als sie endlich ihren teuer erworbenen gefälschten Pass in Händen hält, nieder. Es ist ein Abschied von ihrer fremden Haut und der Rolle des geflüchteten Sohnes, der den Eltern regelmäßig Post zukommen ließ und über ein hoffnungsvolles Leben im Exil berichtete. Ein Versprechen, das Fariba Siamak kurz vor seinem Tod noch gegeben hatte.

Es war zweifelsfrei eine richtige Entscheidung, Jasmin Tabatabai die Rolle der Fariba zu geben, wurde die seit ihrem achten Lebensjahr in Deutschland lebende Schauspielerin doch im Iran geboren und spricht sie nach wie vor ihre Muttersprache Farsi. Mit zahlreichen Spiegelungen setzt Judith Kaufmann dieses Bild einer nicht aus sich herauskönnenden Persönlichkeit immer wieder auch optisch um, eine atmosphärische Musik unterstreicht das Schwindelgefühl, nicht recht zu wissen, wohin die Reise geht. Ursprünglich nannte sich die vorwiegend an Drehorten am Stuttgarter Flughafen und auf den für ihre Krautverarbeitung bekannten Fildern entstandene Produktion noch „In Orbit“ – ein Begriff aus dem Sprachschatz der Vereinten Nationen für Asylsuchende, die sich wie in einer Umlaufbahn um die Erde bewegen müssen, weil sie legal nirgendwo sein dürfen.

Angenehm zu sehen ist auch, das die in „Fremde Haut“ auftretenden Deutschen realistisch gezeichnete Figuren sind. Beamten sind hier nicht etwa sture Paragrafenreiter, sondern lassen trotz ihrer Pflichten auch Menschlichkeit erkennen, gleiches trifft auf die Belegschaft in der Sauerkrautfabrik zu. Dass Annes Freund und Arbeitskollege Uwe (Hinnerk Schönemann) eifersüchtig auf ihr Interesse an Fariba reagiert, auch das ist letztlich kein Klischee, sondern eine normale menschliche Regung. Dass wegen dieser Eifersucht ein Happy End zu zerbrechen droht, es sollte nichts daran ändern, sich für seine Überzeugungen einzusetzen.

Thomas Volkmann