Holy Shit – Ach du Scheisse

Zum Vergrößern klicken

Ein verdrecktes, beengtes Dixie-Klo auf einer Baustelle. Ein darin eingesperrter Architekt. Und 80 Minuten Zeit um aus dem Klo zu kommen, bevor durch eine Sprengung alles in die Luft fliegt. Das sind die wenigen (inhaltlichen) Zutaten für eine der außergewöhnlichsten deutschen Produktionen des diesjährigen Kinosommers – die trotz Mini-Budget, wahnwitziger Prämisse und minimalistischem Setting erstaunlich gut funktioniert. Insofern sollte man sich vom etwas unglücklichen Filmtitel nicht abschrecken lassen. „Holy Shit“ ist ein wilder, durchweg spannender und sympathisch unangepasster Thriller-Drama-Komödien-Mix mit nur wenigen Schwächen.

Webseite: https://achduscheisse-derfilm.de/

Deutschland 2022
Regie: Lukas Rinker
Drehbuch: Lukas Rinker
Darsteller: Gedeon Burkhard, Friederike Kempter, Micaela Schäfer

Länge: 90 Minuten
Kinostart: 20.10.2022
Verleih: Drop-Out Cinema

FILMKRITIK:

Architekt Frank (Thomas Niehaus) traut seinen Augen kaum, als er aus der Ohnmacht erwacht: Er befindet sich eingesperrt in einem umgekippten Dixie-Klo, der Arm von einer Metallstange durchbohrt. Wie er in diese missliche Lage kam, weiß Frank nicht. Kopfüber umgeben vom (eigenen) Blut, von Enge, Fäkalien und Schmutz – geht es schlimmer? Geht es, denn vom Klo aus hört Frank den örtlichen Bürgermeister (Gedeon Burkhard) die Sprengung des nahen Gebäudes ankündigen. Und dem Unglücksraben bleiben gerade einmal 30 Minuten, sich aus der lebensbedrohlichen Situation zu befreien.

„Oxygen“, „Buried“, „127 Hours“ oder „Nicht auflegen!“ – all diesen Filmen ist gemein, dass sie fast komplett oder ausschließlich auf einen Handlungsort begrenzt sind. Sie leben von der klaustrophobischen Enge des Schauplatzes und der scheinbar ausweglosen Situation, in der sich die Hauptfigur befindet. Exakt davon profitiert nun auch das herrlich skurrile, aber zu weiten Teilen überraschend ernste und durchweg packende Dixieklo-Kammerspiel „Holy Shit – Ach du Scheiße“. Vom infantilen, reißerischen Filmtitel sollte man sich als nicht beirren lassen und einen Blick riskieren. Vor allem Thrillerfans und Freunde oben erwähnter, inhaltlich ähnlich gelagerter Produktionen.

Beeindruckend ist, wie stilsicher sowie ideen- und wendungsreich sich der 36-jährige Autor und Regisseur Lukas Rinker durch sein Regie-Debüt bewegt. Denn mit den begrenzten Mitteln und wenigen Gegenständen, die dem bemitleidenswerten Frank zur Verfügung stehen, kreiert Rinker die absurdesten Momente, die sich vor allem durch Einfallsreichtum und Kreativität auszeichnen. Es sind ebenso spannende wie bisweilen herrlich überzogene Szenen, in denen der Eingesperrte (dringlich und ausdrucksstark auf allerengstem Raum: Thomas Niehaus) in MacGyver-Manier versucht, sich rechtzeitig vor der nahenden Explosion aus dem Klo zu befreien. Mal mit Hilfe von Toilettenpapier, mal mittels selbst herbeigeführter Detonation, Zollstock, Lasergerät, Handy oder Kaugummi.

Darüber hinaus sieht „Holy Shit“ auch optisch gut aus. Rinker wechselt in der Farbgebung, setzt Methoden wie Zeitraffer und Zeitlupe gezielt ein und erzeugt durch Perspektivwechsel sowie kluge, variantenreiche Einstellungen einen authentischen Eindruck vom vorherrschenden Platzmangel und dem Gefühl der Beklemmung. Erfrischend ist das hohe Maß an Authentizität beim Schauplatz und der Ausstattung. Durch den Verzicht auf Computertricks und CGI wirken die handgemachten Effekte und „echten“ Requisiten noch glaubhafter. Und die Szenerie, das schäbige, von Blut und Dreck übersäte Baustellenklo, dadurch noch authentischer.

Für kleine, verschmerzbare Schönheitsfehler sorgen zwei Dinge. Zum einen die Tatsache, dass Rinker das sich anbietende Wortspiel rund um den auch im Filmtitel vorkommenden Fäkalbegriff etwas zu oft bemüht. Jene Doppeldeutigkeit des gebrauchten Wortes nutzt sich irgendwann ab. Und: In den letzten 25 Minuten wirkt „Holy Shit“ in seinen ausufernden, extremen und blutgetränkten Momenten etwas übertrieben. Gerade die deftigen Splatter-Einlagen sind zum Ende hin recht ausschweifend geraten und wollen nicht so recht zum eher reduzierten, minimalistischen Kammerspiel-Setting der vorherigen Stunde passen.

 

Björn Schneider