Inu-Oh

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Der Anime-Film „Inu-Oh“ erzählt von zwei außergewöhnlichen, künstlerisch hochtalentierten Musikern und Tänzern, die jedoch die Ablehnung und die Vorurteile der Gesellschaft zu spüren bekommen: der eine ist blind, der andere von Geburt an mit einem monströsen Fluch belegt. Mit ihren elektrisierenden Bühnenperformances und Botschaften sorgen sie im Japan des Mittelalters für Aufsehen. „Inu-Oh“ ist ein von visuellem Scharfsinn geprägtes Werk, das großen Wert auf erzählerische Ausgewogenheit und ein stimmiges Nebeneinander von Tradition und Moderne legt.

Webseite: https://db.nipponconnection.com/de/film/2253/inu-oh

Japan, China 2021
Regie: Masaaki Yuasa
Drehbuch: Akiko Nogi

Länge: 98 Minuten
Kinostart: 17.11.2022
Verleih: Rapid Eye Movies

FILMKRITIK:

Japan vor 600 Jahren: Im Land toben politische Machtkämpfe und es herrscht Aufruhr in der Gesellschaft. In diesen turbulenten Zeiten wird ein Kind geboren, das mit einem verhexten Körper geboren wird. Inu-Oh leidet fortan unter Ächtung und Diskriminierung, erweist sich jedoch als hochtalentierter Tänzer. Einen Verbündeten findet er in dem blinden Musiker und Biwa-Spieler Tomona, mit dem Inu-Oh die Leidenschaft für Musik teilt. Die Beiden schließen sich zusammen und begeistern die Menschen im ganzen Land mit ihrer eigenwilligen Kunst. Tatsächlich entwickelt sich Inu-Oh im Laufe der Zeit sogar zu einem Popstar des Mittelalters. Und sogar am Hofe des Kaisers berauscht man sich an den Tanzkünsten Inu-Ohs – bis einigen der Mächtigen zu Hofe der Einfluss des begnadeten Körperakrobaten zu hoch wird.

Regisseur Masaaki Yuasa und Drehbuchautor Akiko Nogi erzählen in „Inu-Oh“ eine universelle Geschichte rund um Freundschaft, Mut, Identität, Missgunst und den Abbau von Vorurteilen – und zwar mit den Mitteln des Musikfilms und (Rock-)Musicals. Ein Schwerpunkt liegt daher klar auf den mitreißenden, ebenso pulsierenden wie energetischen Gesangs- und Tanzsequenzen. Und damit auf den eigenwillig konzipierten, streng durchchoreografierten Bühnenauftritten, die mitunter an Szenen aus Rock-Dokus und -Konzerten erinnern.

Da wundert es nicht, dass Inu-Oh und Tomona bisweilen mit ihren Instrumenten verschmelzen und diese auf eine Art und Weise spielen, wie früher nur Jimi Hendrix oder Jimmy Page. Lediglich in der Mitte des Films nehmen die Musiknummern ein wenig überhand. Dann mögen sie im Rahmen der farbenfrohen Auftritte, die Inu-Oh und Tomona durchs ganze Land führen, manchmal gar nicht mehr zu einem Ende kommen. Doch Yuasa bemüht sich, eine Balance aus modernen Elementen und Tradition zu wahren. Das zeigt sich zum einen in jenen Tanzsequenzen und künstlerischen Darbietungen, die kraftvolle Rock-Elemente und modernere, frische Klänge einerseits bieten, andererseits aber auch auf das traditionelle japanische Theater („Nō“) verweisen, das üblicherweise nur von Männern gespielt wird.

Die Story und die Themen des Animes könnten aktueller und zeitgemäßer nicht sein. Im Kern handelt das Werk nämlich vor allem von gesellschaftlichem Hass, Ressentiments und der Angst vor dem „Neuen“ und „Unbekannten“. Den Unmut und die Intoleranz der Menschen bekommt Hauptfigur Inu-Oh am eigenen, geschundenen Leibe zu spüren. Denn dadurch, dass er von Geburt an mit einem Fluch belegt ist und von seinem Umfeld als Monster angesehen wird, weiß Inu-Oh nur gut, wie sich Ablehnung und Erniedrigung anfühlen. Am Ende schließlich steht eine Wandlung und befreiende (optische) Verwandlung.

Darüber hinaus garniert Yuasa „Inu-Oh“ mit dutzenden Verweisen und Anspielungen auf japanische Brauchtümer, Riten, die Kultur und Geschichte. Für den Laien mag dies mitunter wenig auffällig sein, wer sich mit diesen Inhalten und Sujets aber bereits etwas näher beschäftigt hat, kommt auf seine Kosten: Der Film erzählt von den Turbulenzen und kriegerischen Auseinandersetzungen im japanischen Mittelalter, von Mythen, Folklore, den unterschiedlichen Clans (die Heike, die Genji u.a.) und er streift klassische japanische Märchen sowie Erzählungen. Und alte, traditionelle Holzinstrumente wie die Biwa und die Langhalslaute Shamisen spielen schließlich ebenso eine Schlüsselrolle – immerhin machen sie Inu-Oh und Tomona zu ihren musikalischen Waffen, wenn sie sie auf den Bühnen für ihre Botschaft von Toleranz und Selbstermächtigung nutzen.

 

Björn Schneider