KInder der Hoffnung

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Wie viele Israelis ihrer Generation hat auch die 1980 geborene Yael Reuveny ihrer Heimat den Rücken gekehrt, lebt im Ausland und dreht Dokumentarfilme. Doch die Bindung zu ihrer Heimat hat sie nie verloren, im Gegenteil, sie wurde gerade in der Ferne stärker. In „Kinder der Hoffnung“ lässt sie nun alte Klassenkameraden zu Wort kommen, wie Reuveny um die 40, und reflektiert über Heimat, Israel und Hoffnung.

Website: http://www.filmkinotext.de/kinder-der-hoffnung.html

One Of Us
Dokumentation
Deutschland/ Israel 2020
Regie & Buch: Yael Reuveny
Länge: 84 Minuten
Verleih: Film Kino Text, Vertrieb: Filmagentinnen
Kinostart: 4.11.202

FILMKRITIK:

Ein Klassenfoto aus dem Jahr 1988 ist Ausgangspunkt von Yael Reuveny Dokumentarfilm „Kinder der Hoffnung – One Of Us“: Acht Jahre war die Autorin damals alt und erlebte zusammen mit ihren Klassenkameraden den 40. Jahrestag der Gründung Israels. Ende der 80er Jahre lebte der israelische Staat in einer Phase der Hoffnung, die Zukunft sah rosig aus, Friedensabkommen mit den Nachbarn und vor allem den Palästinensern schienen möglich.

Aktiv in Kriege verwickelt zu sein schien den jungen Israelis einige Jahre später, als sie ihren für beide Geschlechter verpflichtenden Militärdienst begannen, undenkbar. Doch die Lage änderte sich, Ende 2000 begann die Zweite Intifada, eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts erscheint inzwischen weiter entfernt als vielleicht jemals während der Geschichte Israels. Anfang der Nuller Jahre verließ auch Yael Reuveny zum Studium ihr Land, landete schließlich wie erstaunlich viele ihrer Landsleute ausgerechnet in Deutschland, im Land der Täter, aus dem ihre Urgroßeltern oder Großeltern oft geflohen sind, wenn ihnen denn die Flucht gelang.

Was ist aus ihren Klassenkameraden geworden? Wo leben sie? Wie gehen sie mit der Geschichte ihres Landes um, mit den Hoffnungen, die sich vielleicht nicht erfüllt haben, mit der angespannten Situation, dem ständig schwelenden Nahostkonflikt? 32 Kinder waren damals in der Klasse von Reuveny, in einer Schule in Petach Tikwa, auf Deutsch: Tor der Hoffnung. Schon Ende des 19. Jahrhunderts begannen zionistische Siedler die Gegend zu besiedeln, machten die Stadt, die inzwischen ein Vorort von Tel Aviv ist, zu einer der größten des Landes.

Viele ihrer Klassenkameraden leben noch in Petach Tikwa, führen ganz normale Leben, arbeiten als Arzt, machen Musik, verkaufen Wohnungen oder sind Hausfrau. Zwischen den Gesprächen mit alten Freunden, reflektiert Yael Ruveny ihre Situation, das Exil, ihr Leben fern der Heimat, in Berlin. Das sie ihr Land verlassen und kein Kind bekommen hat, fühlt sich wie ein Verrat an, sagt sie einmal. Fast alle ihrer Klassenkameraden in Israel dagegen haben meist mehrere Kinder, setzen damit quasi die Geschichte fort, sorgen dafür, dass der Weg Israels weitergeht.

Ein ruhiger, nachdenklicher, betont unspektakulärer Film ist „Kinder der Hoffnung“, das Porträt einer Generation von Israelis, die in Zeiten des Friedens groß geworden sind, mit der Hoffnung auf eine Welt ohne Konflikte, die sich nicht bewahrheitet hat. Wie nah die Gefahr des Krieges doch immer ist, zeigt sich ganz beiläufig bei einem Verkaufsgespräch in einem Hochhausappartement: Auf der einen Seite reicht der Blick auf die strahlende Küste, doch nach hinten heraus gibt es ein kleines Zimmer, ein so genanntes Mamad: Ein Safe Room, dessen Fenster mit einer verschiebbaren Betonplatte gesichert werden kann und Bombensicher sein soll. Auch das ist ein Stück Realität in Israel.

Michael Meyns