Kukushka – Der Kuckuck

Regie Alexander Rogoshkin
D: Anni-Kristiina Juuso, Victor Brychtov, Ville Haapasalo
Russland 2002
Start: 14.7.
Kool-Film

Ein formal, wie thematisch bestechend origineller Antikriegsfilm aus Russland. Existentielles Kriegsdrama, intelligente Burleske, spirituelle Initationgeschichte, Kulturclash und süffisante Liebesgeschichte und noch viel mehr vereint der Russe Alexander Rogoshin in einem der ungewöhnlichsten Filme des Jahres.

September 1944. Die deutsche Front im Osten ist auch an der russisch-finnischen Grenze in Auflösung begriffen. Auf ihrem Rückzug hinterlassen die Deutschen nur Tod und Verderben. Auch Veiko, der als Finne zu den verbündeten Völkern mit Nazi-Deutschland gehört, muss die Unnachsichtigkeit der Landser am eigenen Leibe erfahren. Weil sie den ausgebildeten Scharfschützen für einen Pazifisten und Verräter halten, ketten ihn die Deutschen kurzerhand an einen Felsen. Hier soll er zum sicheren Ziel für die nachrückenden Russen werden und dabei noch einige der Russen mit in den Tod nehmen. Während Veiko mit Geschick und Beharrlichkeit versucht, sich von seinen Fesseln zu befreien, wird er Zeuge eines weiteren grotesken Schauspiels. Ein Jeep der russischen Militärpolizei wird versehentlich von den eigenen Flugzeugen bombardiert. Nur Ivan überlebt schwerverletzt, und hat damit doppelt Glück. Der Korporal sollte wegen Verfassens von Naturpoesie als Defätist hingerichtet werden. Der Schwerverletzte wird von der jungen Samin Anni geborgen und in ihre einsame Behausung am Rande eines Sees gebracht. Auch Veiko findet, nach dramatisch geglückter Befreiung, den Weg zu der kleinen Rentierfarm. Der russische Poet, der finnische Prometheus und die schöne Samin würden sich vielleicht prima ergänzen, gäbe es nicht das kleine Problem dreier unterschiedlicher Sprachen. Und so macht sich auch auf der kleine Insel im Meer des kriegerischen Wahnsinns bald eine hitzige Atmosphäre breit. Während Ivan den Finnen in deutscher Uniform für einen Faschisten hält, den es zu töten gilt, ist Anni von dem plötzlichen Angebot an männlichen Partnern schier überwältig. Den eigenen Mann hat der Krieg vor vier Jahren geschluckt, nun heißt es für die sinnliche Schöne zuzupacken. Die Wahl fällt auf den jungen Finnen und Ivans Plan, ihn zu töten, bekommt durch die Eifersucht neue Nahrung.

Regisseur Alexander Rogoshkin findet reichlich  erzählerische und inszenatorische Kniffe, um seine Abscheu vor dem Krieg und die Hymne an das pralle Leben mit Kinobildern zu füllen, die man nicht so schnell vergisst. Während man im ersten Teil, der fast ohne Worte auskommt, damit beschäftig ist, die verwirrende Teile des Puzzles zu einem ganzen Bild zusammenzufügen, führt Rogoshkin die Spannung im zweiten Teil mit der gegengesetzten Methode weiter. Wo man anfangs als Zuschauer weniger wusste als die Protagonisten, kehrt sich das Verhältnis nach dem Zusammentreffen um. Da keiner des seltsamen Trios die Sprache des anderen versteht oder spricht, hat man als Zuschauer das diebische Vergnügen einer urkomischen babylonischen Sprachverwirrung beizuwohnen. Einem unfreiwillig komischen Miteinander, das aber jeden Moment in die Katastrophe abgleiten kann. Denn was nun stärker ist, der Wille des Menschen zu leben und zu lieben oder die Angst und der Hass, bleibt bis zum Ende dieses ergreifenden Films eine offene Frage.

Norbert Raffelsiefen