Le Prince

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Welten prallen aufeinander als sich Monika und Joseph treffen. Sie eine agile Frau aus der Frankfurter Kulturszene, er ein stolzer Afrikaner aus dem Kongo. Ihre Liebesgeschichte entwickelt sich bald zur Bühne postkolonialer Konflikte flankiert von strukturellem Rassismus. Zunehmend schleicht sich Misstrauen ein. Verzweifelt kämpft Joseph um seine Würde. In ihrem intensiven Debütfilm gelingt es Regisseurin Lisa Bierwirth vor allem durch ihre beiden großartigen Hauptdarsteller, der österreichischen Schauspielerin Ursula Strauss und dem französischen Rapper Passi Balende aus Brazzaville, das Dilemma dieser Beziehung spürbar zu machen. Auch wenn das emotional berührende Drama es nicht leisten kann, politische Hintergründe mitzuliefern, regt es an, den eurozentrischen Blick zu weiten und das immer noch schwelende Kolonialerbe kritisch zu hinterfragen.

Website: https://port-prince.de/projekt/le-prince/

Deutschland 2021
Regie: Lisa Bierwirth
Drehbuch: Lisa Bierwirth, Hannes Held
Darsteller: Ursula Strauss, Passi Balende, Alex Brendemühl, Victoria Trauttmansdorff
Länge: 125 Minuten
Verleih: Port au Prince Pictures
Kinostart: 30.9.2021

FILMKRITIK:

„Ich habe mich seit hundert Jahren nicht mehr beworben. Ich weiß gar nicht mehr wie das geht“, gesteht Kuratorin Monika (Ursula Strauss) ihrer Freundin. Dass der fast 50jährigen das jetzt bevorsteht, weiß die agile Kulturschaffende erst seit kurzem. Völlig überraschend erfährt sie vom Weggang ihres Vorgesetzten. Mit Peter (Alex Brendemühl), dem Leiter der Frankfurter Kunsthalle fühlte sie sich eigentlich freundschaftlich verbunden. „Wann wolltest du mir das sagen“, stellt sie ihn frustriert zur Rede. Gedankenverloren läuft sie an diesem Abend durchs Frankfurter Bahnhofsviertel.

Ein Abend mit einer folgenschweren Begegnung. Unversehens gerät sie in eine Razzia. Eigentlich wollte sie sich nur eine Schachtel Zigaretten holen. Doch als die Polizei das Lokal nach Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung durchkämmt landet sie mit Joseph (Passi Balende) im Hinterhof. Der afrikanische Geschäftsmann aus dem Kongo muss sich verstecken. Denn auch er ist ohne Papiere. Dass er sich bedankt, sie zusammen einen Kaffee trinken und ihre Telefonnummern austauschen, vergisst Monika fast wieder.

Doch Joseph meldet sich bei ihr. Mit dem smarten 38jährigen entdeckt sie im „Cafe Denis“ die pulsierende afrikanische Diaspora. „Wenn ich afrikanische Musik und Vibes brauche komme ich hierher“, verrät er. Josef handelt mit Diamanten und sucht in der Main-Metropole Investoren, die eine Mine im Kongo finanzieren. Bis es so weit ist, versucht er sich mit Import- und Exportgeschäften mehr oder weniger über Wasser zu halten. „Wieso ist eine so schöne Frau wie du allein?“, schmeichelt der selbstsichere Charmeur. Und gibt sich gleich selbst die Antwort. „Die Männer haben Angst vor dir. Ich habe keine Angst.“

Und tatsächlich ist die selbstbewusste, eloquente Frau nicht auf den Mund gefallen. Nicht nur einmal eckt sie mit ihren ehrlichen Kommentaren in der Kunstszene an. Mit Joseph beginnt sie ein leidenschaftliches Verhältnis und hofft, dass ihre Liebe stark genug ist zu bestehen. Doch schon bei der ersten Essenseinladung mit ihren Freunden aus der Kunstszene knirscht es. Freudestrahlend erzählt Monika vom Diamantendeal ihres Freundes. „Blutdiamanten“, fragt entsetzt ihre Freundin Ursula. Peinliches Schweigen folgt.

Als Blutdiamanten werden Diamanten bezeichnet, die in Konfliktgebieten unter ausbeuterischen Bedingungen gefördert werden. Der Gewinn geht in der Regel an Guerilla-Bewegungen oder lokale Warlords. „Ich brauche deine Hilfe nicht, ich brauche Respekt“, wehrt Joseph sich. Dass Monika ohne ihn zu fragen, von seinen Plänen erzählt, nimmt er ihr übel. Aber dieses Missverständnis lässt sich noch klären. Doch mit zunehmender Nähe wird ihre Situation schwieriger. Immer wieder verschwindet Joseph. Sein Freund Ambara (Nsumbo Tango Samuel) bittet Monika um Geld, um ihn aus dem Gefängnis zu holen. Und auch mit der Idee zu heiraten lassen sich die Probleme nicht einfach aus der Welt schaffen.

Inspiriert von einer realen Geschichte geht Regisseurin Lisa Bierwirth lebensnah der Frage nach, wie sich postkoloniale Strukturen und Machtverhältnisse in einer europäisch-afrikanischen Beziehung widerspiegeln. Auch wenn ihr emotional berührendes Drama es nicht leisten kann alle politischen Hintergründe mitzuliefern, regt es an den eurozentrischen Blick zu weiten und das immer noch schwelende Kolonialerbe kritisch zu hinterfragen.

Wenn Joseph sich im Scherz vor Monika brüstet die Harley Davidson des kongolesischen Diktators Mobuto geklaut und ausgerechnet in Belgien verscherbelt zu haben, fehlt manchen vielleicht ein Teil des brisant politischen Puzzles. Vor sechzig Jahren wurde der kongolesische Unabhängigkeitsheld Patrice Lumumba ermordet mit Unterstützung Belgiens und der CIA. Er wagte es, der ehemaligen Kolonialmacht Belgien die Kontrolle über die wertvollen Rohstoffe zu entziehen. Sein Tod gilt nach wie vor als eines der großen ungesühnten Verbrechen des post-kolonialen Afrikas.

Mithilfe des Westens putschte sich der korrupte Diktator Mobuto an die Macht. In seinem einmaligen Doku-Drama „Lumumba“ legt Regisseur Raoul Peck, der als Jugendlicher selber im Kongo lebte, den Finger in die Wunde. Ein Lehrstück darüber, wie die so genannt zivilisierte Welt mit Regionen umspringt, die sie in scheinbar in die Unabhängigkeit entlässt. Diese Geschichtslektion hallt nach in der Gegenwart. Und wer die Historie der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegung in seiner Gänze verstehen will dem sei der umfangreiche Bild- und Textband „Short Century“ des zu früh verstorbenen nigerianischen Ausnahmekurators und Ex-Documenta-Chefs Okwui Enwezor empfohlen.

Darin zeigt er in einer bislang einmaligen Breite die Kultur des sich befreienden Afrikas in der bildenden Kunst, in Fotografie, Film, Musik und Literatur sowie politische Dokumente der Zeit. Sicher würde auch Filmfigur Monika als freie Kuratorin solches Kunstverständnis schätzen. Die wandelbare österreichische Schauspielerin Ursula Strauss verkörpert diese Rolle perfekt. Ob Arthouse-Film oder TV-Serie, die 47jährige spielt Menschen am Abgrund ebenso intensiv wie die toughe Kommissarin, eine fürsorgliche Mutter oder die schlagfertige Chefin eines Putztrupps. Nicht umsonst wurde sie zum fünften Mal mit der Romy als „Beliebteste Schauspielerin“ ausgezeichnet.

Luitgard Koch