Liebe zu Besuch

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Aller Neuanfang ist schwer: Eine alleinerziehende Mutter, soeben 40 geworden, müsste sich eigentlich um ihre Scheidung von einem Musikproduzenten und ihren Berufswechsel zur Dekorateurin kümmern. Stattdessen nimmt sie drei Nachwuchsfilmemacher in ihrer Vintage-Villa auf. Oberflächliche Komödie, die einzig vom Charme von Reese Witherspoon lebt.

Webseite: www.liebezubesuch-film.de

OT: Home Again
USA 2017
Regie: Hallie Myers-Shyer
Darsteller: Reese Witherspoon, Michael Sheen, Pico Alexander, Candice Bergen
Länge: 97 Min.
Verleih: Splendid
Kinostart: 23.11.2017

FILMKRITIK:

Als wir Alice (Reese Witherspoon) zum ersten Mal sehen, hockt sie in ihrem Badezimmer und weint. Es ist ihr 40. Geburtstag, und diese Katastrophe ist schon ein Paar Tränen wert. Ihr Ehemann Austen (Michael Sheen), ein Musikproduzent, ist berufsbedingt ein hedonistischer Partylöwe und will sein geliebtes New York nicht verlassen. So ist Alice allein mit ihren beiden Töchtern nach Los Angeles zurückgezogen, zur Freude ihrer Mutter (Candice Bergen) und früherer Freundinnen. Beruflich versucht Alice, als Dekorateurin Fuß zu fassen – auch nicht einfach bei der arroganten, desinteressierten Klientel. Ein neues Heim ist schnell gefunden – eine Vintage-Villa im Hazienda-Stil, Pool und großer Garten inklusive. Ein geräumiges Gästehaus zählt auch dazu, und hier lässt Alice drei filmemachende Freunde, alle Mitte zwanzig, wohnen, während sie auf ihren Durchbruch in Hollywood warten. Dass sie mit einem von ihnen, Harry (Pico Alexander), nach dem Umtrunk zu ihrem 40. fast geschlafen hätte, kompliziert die Sache. Damit nicht genug: Ihr entfremdeter Ehemann überlegt es sich plötzlich anders und taucht unangemeldet in der Villa auf. Das wiederum missfällt Harry, der sich von Alice, trotz des Altersunterschieds, ein wenig mehr erhofft hatte.
 
Nun entspinnt sich ein Hahnenkampf zwischen zwei Alpha-Tieren, der zwar witzig gemeint ist, aber nur lauwarm daher kommt. „Liebe zu Besuch“ gehört zu jenen Filmen, die den Zuschauer in eine Welt der Reichen und Schönen entführen, so als hätte dieses teuer ausgestattete, mit Oberflächenreizen abgelichtete Ambiente etwas mit seiner Lebenswelt zu tun. Das Gegenteil ist der Fall: Regisseurin Hallie Meyers-Shyer, 30-jährige Tochter der Komödienspezialisten Nancy Meyers („Was Frauen wollen“) und Charles Shyer („Vater der Braut“), erliegt einer aufdringlichen Realitätsferne, die fast schon an Eskapismus grenzt. Sie beschreibt eine Welt der Privilegierten, denen es an nichts mangelt, es sei denn, der Kühlschrank ist ausnahmsweise mal leer. Dass die USA im Moment ganz andere Sorgen haben, durch Naturkatastrophen und einen eigenwilligen Präsidenten, kommt hier nicht vor.
 
Natürlich könnte es hier um die Probleme einer nicht mehr jungen Frau gehen, die kurz vor der Scheidung steht und beruflich noch einmal durchstarten will. Stattdessen soll man als Zuschauer glauben, dass Alice drei wildfremde Jungspunde bei sich aufnimmt und sich – quasi als Ersatzfamilie – mütterlich um sie kümmert. Hollywood und das Musikgeschäft der Ostküste hingegen werden mit zahlreichen Klischees als oberflächlich, geldgierig und böse geschildert – auch davor muss man die Jungs beschützen. Für Reese Witherspoon ist „Liebe zu Besuch“ in jedem Fall ein Rückschritt, weil sie zuletzt – zum Beispiel in „Devil’s Knot – Schatten der Wahrheit“ und „Der große Trip – Wild“ – so eindringlich war. Hier hat sie nicht mehr zu tun, als unter Panikattacken zu leiden und sich von anderen übers Ohr hauen zu lassen, und das ist schade.
 
Michael Ranze