Mein Liebhaber, der Esel & Ich

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Kaum bekommt die schwer verliebte Lehrerin vom verheirateten Geliebten einen schnöden Korb, sinnt Madame Antoinette auf Rache. Spontan folgt sie Vladimir bei dessen Wanderurlaub mit der Familie. Im Eifer des Gefechts lässt sich die eifersüchtige Heldin für die Trekking-Tour einen Begleit-Esel aufschwatzen. Nach einem störrischen Start entwickelt sich das eigenwillige Grautier zum Lasttier des Vertrauens. Der Wanderweg wird zunehmend zum Ziel der Erkenntnis für Antoinette. Nicht ohne Grund avancierte die quirlig charmante Komödie in ihrer Heimat Frankreich zum Publikumsliebling.

Webseite: www.wildbunch-germany.de

F 2020
Regie: Caroline Vignal
Darsteller: Laure Calamy, Benjamin Lavernhe, Olivia Cote, Marc Fraize, Louise Vidal
Filmlänge: 95 Minuten
Verleih: Wild Bunch / Capelight / Central
Kinostart: 22.10.2020

FILMKRITIK:

„Zeig ihm, wer der Boss ist!“, so der gute Rat vom Esel-Verleih im Nationalpark. Patrick heißt das Lasttier, auf seinen Namen hört es erwartungsgemäß nicht. Die Grundschullehrerein Antoinette (Laure Calamy) hat sich den Begleit-Esel für viel Geld bei ihrer Wandertour aufschwatzen lassen, sehr zum Gespött der anderen Wanderer in der Herberge. Was sie denn überhaupt alleine hier mache? Die neugierigen Fragen beim gemeinsamen Frühstück beantwortet der Neuling bereitwillig. Ihren Liebhaber Vladimir (Benjamin Lavernhe) wolle sie treffen, erklärt Antoinette. Das zustimmende Kopfnicken der Gruppe weicht manchem Stirnrunzeln und Naserümpfen als herauskommt, dass jener Geliebte mit seiner nichts ahnenden Gattin samt Tochter unterwegs ist. Geplanter Ehebruch im Nationalpark? Oh, là là! Die Mittvierzigerin lässt sich von den Moralapostelinnen in der Hütte freilich nicht erschüttern. Schließlich hatte Vladimir ihr diesen Urlaub versprochen. Und die Scheidung wolle er ohnehin schon lange - zumindest sagte er das.

Nach kleineren Startschwierigkeiten mit dem störrischen Patrick macht Madame sich auf den Weg. Schon bald entdeckt sie die Vorzüge ihres tierischen Begleiters: Der trägt nicht nur willig das Gepäck, sondern erweist sich vor allem als geduldiger Zuhörer, dem man sämtlichen Liebeskummer anvertrauen kann. Der Konflikt-Ballast steigt sprunghaft an, als Vladimir mit Frau und Kind an der Wanderhütte eintrifft. Da seine Tochter zugleich Schülerin von Antoinette ist, fällt die Begrüßung euphorisch aus. „Wandern wir doch zusammen!“, schlägt die ahnungslose Ehefrau vor. Ihre heimliche Rivalin ist begeistert. Der hübsche Vladimir reagiert plötzlich panisch. Esel Patrick findet das alles zum Wiehern und gibt sich störrischer denn je. Im Frühtau zu Berge zieht die kleine Wandergruppe am nächsten Morgen los. Vorab trabt Papa mit dem Kind. Dahinter folgen die beiden Frauen mit Esel. Der Smalltalk scheint wunderbar harmonisch. Doch die Idylle trügt, bald kommt nicht nur Grautier Patrick gehörig aus dem Tritt...

Die Trekking-Tour mit Esel und Liebeskummer hat literarische Vorlagen: Anno 1878 begibt sich der Schotte und spätere „Schatzinsel“-Autor Robert Louis Stevenson samt Esel auf jenen Wanderweg im französischen Nationalpark, um den Korb seiner Herzensdame zu vergessen. „Travels with a donkey in the Cévennes”, nennt er seine Reisebeschreibung, die bald zum Bestseller avanciert und bis heute als Wanderführer populär ist. Mittlerweile firmiert der GR 70 Fernwanderweg unter dem Namen „Robert-Louis-Stevenson-Weg“. Erstaunlich lange hat es gedauert, bis das Kinopotenzial dieser Rom-Com-Vorlage erkannt wurde. Die bewährte „Der-Weg-ist-das-Ziel“-Botschaft funktioniert fast immer verlässlich. Derweil Esel auf eine kulturelle Tradition als tierische Sympathieträger blicken, von der Antike über Shakespeares „Sommernachtstraum“ bis zu „Shrek“.

Die angenehm unangestrengte Liebeskomödie entwickelt sich mit der notwendigen Leichtigkeit sowie einer überzeugenden Figurenkonstellation: Der „Birnenkuchen mit Lavendel“-Liebling Benjamin Lavernhe gibt augenzwinkernd den gockelhaften Möchtegern-Macho, dem vergnüglich die Federn gerupft werden. Derweil Laure Calamy („Call my agent“) mit charmantem Durchhaltevermögen sowie großem Empathie-Potenzial ihren Weg zur Selbsterkenntnis geht. Eine prickelnde Champagner-Komödie, wie sie so eben nur La Grande Nation hervorbringt.

Dieter Oßwald