Monobloc

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Ein schnöder Plastikstuhl ist das meistverkaufte Möbelstück aller Zeiten: Der „Monobloc“, ein meist weißer Plastikstuhl, den wohl jeder kennt und viele als Müll bezeichnen. Warum gerade dieser Stuhl besonders in Entwicklungsländern so beliebt ist beschreibt Hauke Wendler in seinem Dokumentarfilm.

Website: https://salzgeber.de/monobloc

Dokumentarfilm
Deutschland 2021
Regie: Hauke Wendler
Länge: 90 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 27.1.2022

FILMKRITIK:

Mindestens eine Milliarde Exemplare wurden von dem Monobloc genannten Sitzmöbel verkauft, besser gesagt von all den Varianten, die nach dem selben Prinzip hergestellt wurden. Denn Henry Massonnet, der ursprüngliche Erfinder des Monobloc, versäumte es, sich ein Patent auf seine Erfindung zu sichern, was vielleicht erst den weltweiten Erfolg möglich machte.

Aus einem Stück Plastik besteht der Stuhl, ganz gewiss nicht unzerstörbar, wie viele aus leidvoller Erfahrung berichten können, aber billig und leicht stapelbar. Als die Geschichte des Monoblocs in den 60ern begann, war Plastik noch die Zukunft, inzwischen ist das schwer zu entsorgende Material zum Symbol für die Umwelt verschmutzenden Exzesse des Kapitalismus geworden. Und besonders in Ländern, in denen westliche Besucher eher Naturverbundenheit erwarten, vielleicht schön geschnitzte, traditionelle Holzmöbel, sticht so ein Plastikmöbel besonders ins Auge. Egal ob in einem afrikanischen Dorf oder dem asiatischen Hochland: Überall finden sich die markanten Plastikstühle und stören den Blick des Touristen. Doch gerade diesen, durchaus kolonial zu nennenden Blick gilt es zu hinterfragen.

In Hamburg stellte Regisseur Hauke Wendler einen Laster in eine Fußgängerzone und bat Passanten zum Gespräch. Keiner der im Film vorkommenden lässt ein gutes Haar am Monobloc. Wenig bequem sei der Stuhl, viel zu wenig haltbar und vor allem Umweltverschmutzung. Was dieses Möbel für die Menschen in Entwicklungsländern bedeutet, ist offenbar keinem der willkürlich ausgewählten Passanten bewusst. Eine Wissenslücke, die Wendler mit seinem Film schließt.

In Uganda besucht er etwa ein Projekt, in dem die Plastikstühle als Basis für dringend benötigte Rollstühle dienen. Als Nachbar der in den letzten Jahren von immer wiederkehrenden Kriegen gebeutelten Länder Ruanda und Kongo beherbergt Uganda viele Flüchtlinge. Viele von ihnen sind auf einen Rollstuhl angewiesen, der teuer in der Anschaffung ist. So kam ein selbst auf einen Rollstuhl angewiesener Pfarrer auf die Idee, sich des Monobloc zu bedienen, Räder zu befestigen, Fußstützen, und fertig ist der Rollstuhl.

Auch für die Menschen im Milliarden-Menschen-Staat Indien bedeutete der Monobloc eine enorme Erleichterung des Lebens. Traditionellerweise wurde auf dem Boden gesessen und gegessen, weniger weil es so praktisch ist, sondern aus Mangel an Stühlen und Tischen. Die billigen Plastikmöbel veränderten hier das Leben auf eine Weise, die im Westen kaum nachvollziehbar ist.

Dient dort der Monobloc als billiges Gartenmöbel, das jederzeit weggeworfen werden kann, verändert und verbessert er in Entwicklungsländern auf ungeahnte Weise das Leben. Das Müllproblem ist damit zwar weder gelöst noch irrelevant, aber zu einfach sollte man es sich bei der Bewertung nicht machen. Denn wie Hauke Wendler in seinem Dokumentarfilm „Monobloc“ auf überraschende Weise zeigt, haben die Dinge meist zwei Seiten.

Michael Meyns