Moonage Daydream

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Natürlich war Brett Morgens Ansatz gar nicht, eine Dokumentation über David Bowie zu machen. Oder zumindest keine, die nach konventionellen Mustern verläuft. Entsprechend erfährt man auch nur sehr wenig über den Künstler. Eckdaten fehlen, selbst der Wechsel von einer fiktiven Persona zur nächsten erschließt sich nicht, weil der Film seinem Hang zum Experimentieren verfallen ist, aber darüber versäumt, den Menschen David Bowie dem Zuschauer näherzubringen.

Webseite: https://www.upig.de/micro/moonage-daydream

USA 2022
Regie: Brett Morgen
Buch: Brett Morgen
Darsteller: David Bowie

Länge: 140 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 15. September 2022

FILMKRITIK:

Es ist durchaus eine Leistung, weit mehr als zwei Stunden Laufzeit zu nutzen, und dann praktisch nichts auszusagen. Der Erkenntnisgewinn über David Bowie sieht in etwa so aus: Der Mann versteckte sich lange hinter Kunstfiguren, er versuchte, sich immer wieder neu zu erfinden und sich in verschiedenen Kunstbereichen auszudrücken, er wurde schließlich auch auf der Bühne David Bowie und geriet in einen künstlerischen Trott, den er erst verließ, als er die große Liebe kennen lernte. All das lässt sich auf wenige Minuten kondensieren. Bei Brett Morgen werden daraus fast zweieinhalb Stunden.

Stunden, die er damit füllt, dass er assoziative Bilderketten erschafft. Ausschnitte aus „Nosferatu“, „Metropolis“, „Kampf der Welten“ und „2001 – Odyssee im Weltraum“ gibt es ebenso wie Bilder von Zuschauern des Raketenstarts bei dem Versuch der Mondlandung, andere Nachrichtenfetzen und eine Vielzahl weiterer Filmschnipsel. Das alles vermengt Brett Morgen zu Stückwerk. Man hat das Gefühl, er hätte gerne einen modernen „Koyaanisqatsi“ gemacht, aber ihm fehlte der Mut. Dafür hätte er die David-Bowie-Interviewfetzen über Bord werfen und seine Bilderflut mit Bowies Musik untermalen müssen. Das hätte auch nicht mehr Aussagekraft als dieser Film gehabt, wäre als eine Art visueller Stream of Consciousness aber zumindest spannender anzusehen gewesen.

So jedoch verflacht sein Film zusehends, weil er auch seiner zentralen These nicht nachkommt – den Wandel von Ziggy Stardust hin zu David Bowie verständlich zu zeichnen, da er nie erkennt, dass auch die öffentliche Person David Bowie eine Kunstfigur war. Wie er wirklich war? Darüber hätte seine Frau Iman etwas sagen können. Oder sein Sohn Duncan Jones. Aber keiner kommt zu Wort. Morgen lässt nur Bowie selbst sprechen, reißt aber alles Gesagte aus dem Kontext und unterstreicht das noch damit, wenn der Künstler in einem späteren Interview erklärt, dass er eine seiner früheren Aussagen (die Liebe betreffend) mittlerweile verabscheut.

Morgens Film kratzt nicht mal an der Oberfläche – er schwebt über ihr. In erhabenen Sphären, wie der Regisseur, Autor und Cutter es sich wohl erhofft hat. Aber „Moonage Daydream“ ist nur schal und leer. Ein Film, der so gerne Kunst wäre, aber so sehr an seiner eigenen Ambition gescheitert ist.

 

Peter Osteried