One of These Days

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Es ist einer jener Tage. Eigentlich sind es sogar gleich vier solcher Tage – hintereinander, ununterbrochen, ohne Schlaf, mit immer weiter schwindender Würde. Im Mittelpunkt der auf einer wahren Begebenheit basierenden Geschichte stehen 20 Menschen, die an einem Wettbewerb teilnehmen: Man muss die Hand an einem Auto lassen, und zwar länger als jeder andere. Das kann allerdings Tage dauern, wie sich in diesem intensiven Film zeigt, der durch das perverse Spiel auch den Fokus auf die Ungleichheit der Gesellschaft rückt – auf die, die an solchen Spielen teilnehmen müssen, und die, für die es Unterhaltung ist.

Website: https://www.weltkino.de/filme/one-of-these-days

Deutschland / USA 2020
Regie + Buch: Bastian Günther
Darsteller: Joe Cole, Devyn A. Tyler, Carrie Preston
Länge: 119 Minuten
Verleih: Weltkino Filmverleih
Kinostart: 19. Mai 2022

FILMKRITIK:

Ein Truck steht auf dem Spiel. „Hands on“ heißt es. Die Regeln sind einfach. 20 Konkurrenten müssen eine Hand auf einem Truck lassen, dürfen sich nicht aufstützen, anlehnen oder hinsetzen. Dann müssen sie nur aushalten, und zwar länger als ihre Mitspieler. Einer dieser Spieler ist der junge Vater Kyle, der daran teilnimmt, weil er sich keinen Truck leisten kann, für seine Familie jedoch einen benötigt. Er rechnet sich gute Chancen aus. Aber die Stunden verstreichen. Aus ihnen werden Tage. Das Spiel wird immer unmenschlicher.

Es gibt einen Roman von Stephen King, den dieser in den späten 1970er-Jahren unter dem Pseudonym Richard Bachman publiziert hat. Er heißt „Todesmarsch“. Darin geht es um ein unmenschliches Spiel, bei dem die Mitspieler so lange gehen müssen, bis nur noch einer übrig ist. Der Rest bleibt auf der Strecke. Daran muss man beim Sehen von „One of These Days“ denken. Wo beim „Todesmarsch“ Stillstand den Tod bedeutete, müssen die Spieler in Bastian Günthers Film ausharren.

Der Film lässt sich ein wenig Zeit, die Spieler vorzustellen, ebenso wie die Moderatorin. Man bekommt ein klein wenig Einblick in ihr Leben. Die meisten werden im Spiel selbst charakterisiert. Etwa der nervige Musikhörer, der ständig den Rhythmus mit den Händen auf der Motorhaube klopft, oder die extrem religiöse Frau, die erstaunlich lange durchhält. Nicht bei jedem weiß man, was ihn antreibt.

Letztlich gilt für alle wohl, dass es die Hoffnung auf etwas Glück ist. Endlich mal etwas gewinnen, endlich mal nicht auf der Verliererseite stehen, endlich mal einer von denen sein, die von anderen beneidet werden. Der Film bleibt subtil, aber er zeichnet das Bild einer Zweiklassengesellschaft, bestehend aus jenen, die an solchen unwürdigen Spielen teilnehmen müssen (oder zumindest glauben, es tun zu müssen), und jenen, die darin einen Spaß sehen.

Es ist ein Spiel, das Folter nicht unähnlich ist. Stresspositionen, Schlafentzug, totale Erschöpfung – das alles schwingt hier mit, zumal der Film sehr genau zeigt, wie all das auch zum totalen mentalen Zusammenbruch führen kann. Das Ende ist bitter. Insbesondere auch, weil der letzte Akt an den Anfang zurückführt und den Protagonisten zeigt, noch bevor er am Spiel teilnimmt. Vielleicht, so stellt sich der Eindruck ein, konnte es auch gar nicht anders enden, weil Kyle schon vor Beginn des Spiels labil war – die Szene am Vorabend, als er sich das Auto ansieht, das er schon bald anfassen wird, spricht dabei Bände.

Bastian Günther ist ein eindringlicher, intensiver Film geglückt. Er richtet das Brennglas auf eine Welt, in der der gesellschaftliche Umgang miteinander längst aus dem Ruder gelaufen ist.

 

Peter Osteried