Parfüm des Lebens

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In seinem nach „Der Sohn der Anderen“ zweiten Kinofilm porträtiert der französische Autor und Regisseur Grégory Magne die aufkeimende Freundschaft und Sympathie zwischen einem gebeutelten Chauffeur und seiner eigenwilligen Kundin in lebensnaher Manier. Grégory Montel („Call My Agent!“) und Emmanuelle Devos („Das Leben ist seltsam“) spielen die Figuren mit einnehmender Intensität, die trotz ruhigem Erzählfluss und vieler alltäglicher Szenen in ihren Bann zieht. So ist „Parfum des Lebens“ weit nüchterner und subtiler als der blumige deutsche Verleihtitel befürchten lässt.

Website: happy-entertainment.de/parfum-des-lebens

OT: Les parfums
Frankreich 2019
Drehbuch & Regie: Grégory Magne
Darsteller/innen: Emmanuelle Devos, Grégory Montel, Sergi López, Zelie Rixhon, Gustave Kervern, Pauline Moulène, Lisa Perrio, Sacha Bourdo
Laufzeit: 100 Min.
Verleih: Happy Entertainment, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 19.8.2021

FILMKRITIK:

In der Eröffnungsszene will Guillaume (Grégory Montel) ein Twix für seine Tochter Léa (Zélie Rixhon) aus einem Süßigkeitenautomaten im Hallenbad ziehen. Doch die Mechanik klemmt. Der Mann wirft erfolglos Geld nach, rüttelt am Automaten, der Bademeister eilt herbei, öffnet das Gerät und händigt Léa ihren Schokoriegel aus. Guillaume erwähnt noch den doppelten Münzeinwurf, aber nein, der begossene Pudel bekommt nur ein Twix.

Der Einstieg verdeutlicht die geerdete Ausrichtung des bodenständigen Lebensdramas, das auf große dramatische Gesten verzichtet und das Wahrhaftige im Kleinen sucht. Zudem führt die Szene den Protagonisten Guillaume als Glücklosen ein, bei dem es derzeit nicht gut läuft. Der Mann lebt geschieden und kämpft um das Besuchsrecht für die 10-jährige Tochter. Dafür benötigt er eine größere Wohnung, was beinahe am Verlust seines Fahrerjobs scheitert. Entsprechend entnervt ist er, als er seine neue Kundin Anne Walberg (Emmanuelle Devos) kennenlernt. Die spleenige Frau wirkt schroff und verlangt dem Chauffeur einiges ab, was über das reine Fahren hinausgeht. Gleich bei der ersten Fahrt wirft sie seine Zigaretten aus dem Fenster, denn Rauchen ist ihr ein Graus und ihr Chauffeur soll es weder vor noch nach der Arbeit tun. Später muss Guillaume ihre Hotelbettwäsche wechseln, weil Anne das Parfum des Zimmermädchens missfällt.

Peu à peu wird klar, dass Anne über einen besonders empfindsamen Geruchssinn verfügt. Früher kreierte sie teure Parfums, heute arbeitet sie als freischaffende Geruchsberaterin. Bei der Exkursion in eine Höhle mit prähistorischen Malereien, deren markanten Geruch Anne nachbilden soll, notiert Guillaume ihre Geruchseindrücke: Kampfer, ein bißchen Moos, Eiche zum Beispiel. Später erinnert der Duft einer Seife Anne an Jugenderlebnisse, was wohl alle Zuschauerinnen und Zuschauer aus eigenem Erleben bestätigen können, wenn spezifische Gerüche Erinnerungen wachrufen. Wie das Publikum fühlt sich auch Guillaume von Annes pointierten Duftanalysen inspiriert. Und so entwickeln die erst so unterschiedlich wirkenden Menschen Sympathie füreinander, eine Freundschaft und vertrauensvolle Kooperation entsteht, von der beide etwas für das eigene Leben mitnehmen.

Der Autor und Regisseur Grégory Magne schlägt bei der Schilderung leise Töne an. In gediegenen Bildern, die ein mitunter etwas betulicher Gitarrenscore untermalt, sehen wir die Figuren in alltäglichen Momenten, die auf den ersten Blick kaum kinotauglich erscheinen. Mit der Zeit ziehen die hervorragenden Schauspielleistungen von Grégory Montel und Emmanuelle Devos und die konzentrierte Erzählweise jedoch immer mehr in ihren Bann. Es sind kleine Momente, die eine wohlige Wirkung erzielen. Wenn der Chauffeur mit der großen Nase plötzlich das konzentrierte Riechen für sich entdeckt und schnuppernd im Feld verweilt, ist das so unspektakulär wie heimelig anzuschauen.

Schön ist auch, dass Magne auf die naheliegende Romantik verzichtet und stattdessen von Freundschaft und simpler Sympathie erzählt – und das, obwohl das Publikum eine Liebelei des Duos gegen Ende fast herbeisehnt. Guillaumes Tochter Léa, die wir in einigen schönen Szenen mit ihrem Vater sehen, bringt das einmal ganz beiläufig und dem Film sehr gemäß auf den Punkt: „C'est la vie.“

Christian Horn