Reise der Pinguine, Die

Frankreich 2005
Regie: Luc Jacquet
Dokumentarfilm
80 Minuten
Verleih: Kinowelt (Start am 13.10.05), www.kinowelt.de

Ein Jahr im Leben der Kaiserpinguine, davon erzählt die mit großartigen Bildern und einer anrührenden Geschichte aufwartende Tierdokumentation des französischen Biologen und Filmemachers Luc Jacquet. Es ist eine abenteuerliche, voller Gefahren und Herausforderungen steckende Parabel über Leben und Tod, die dominiert wird von der Liebe eines seltsamen, aber putzigen Vogels und dem Fortbestand seiner Rasse.

Es ist schon seltsam: während bei Nomadenvölkern die Nähe zu Nahrungsquellen den Ausschlag über den Aufenthaltsort gibt, zieht es die Kaiserpinguine, eine von zwei der insgesamt 17 Pinguinarten, die direkt am Südpol leben, die längste Zeit des Jahres mehrere Tagesmärsche weg vom Futternapf Ozean. Seltsam auch deshalb, weil sich der Kaiserpinguin doch gerade im Meer wirklich in seinem Element fühlt, hier wie ein Torpedo behände und elegant durchs Wasser gleitet. Stattdessen aber watscheln die an Land eher unbeholfenen Kaiserpinguine in endlosen Kolonnen tief durch die von Packeis zugefrorene Antarktis zu einem Ort – Pilgern auf der Reise zu einem Wallfahrtsort gleich -, der ihnen alle Jahre wieder zur Paarung und Aufzucht ihrer Küken dient. Dabei müssen sie sich nicht nur einer klirrenden Kälte von teilweise bis zu 40 Grad minus aussetzen, auch Schneestürme mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern sind auszuhalten. Mehrere Monate sind die Pinguine ohne Nahrung, während das Ei von den Pinguinvätern gebrütet wird, machen sich die Mütter erneut auf den strapaziösen Weg zum Meer und wieder zurück, um dann das hoffentlich noch lebende, vielleicht schon geschlüpfte Küken zu füttern und groß zu ziehen.

Luc Jacquet hat seine Tierdokumentation als eine Erzählung angelegt, in der drei Sprecher die Perspektive der Pinguine einnehmen, ihre Stimmen die männliche, die weibliche und die kindliche Sicht vertreten. Sie berichten von den jeden Februar mit Ende des antarktischen Sommers beginnenden Ritualen, die letztendlich nur einem dienen: dem Erhalt der Rasse. Luc Jacquet bezeichnet die Kaiserpinguine in seinem Film als „Volk der Verdammten“ – weil sie Jahr für Jahr die gleichen Strapazen und Gefahren auf sich nehmen müssen, weil die Reise der Pinguine häufig auch mit dem Tod vieler Familienmitglieder endet. Sei es, weil Pinguine den Anstrengungen des langen Marsches nicht gewachsen sind, sich in der Einsamkeit der Eiswüste verirren, an Entkräftung oder Hunger sterben, Opfer der nahe der Wasseroberfläche lauernden Seeleoparden werden oder – im Fall der Küken – ein Ei frühzeitig erfriert, zerbricht oder ein frisch geschlüpfter Pinguin zur Beute von Sturmvögeln oder Raubmöwen wird.

Faszinierend ist freilich nicht nur der anschaulich dargestellte Überlebenskampf der Kaiserpinguine, faszinierend sind auch die Bilder aus der unwirtlichen, an einen fremden Planeten erinnernden Eislandschaft. Immer wieder beeindrucken Bildkompositionen, in denen das bläuliche Eis mit dem wärmenden Orange der verhalten scheinenden Sonne kontrastiert. Passend auch die Musik der jungen französischen Sängerin Emilie Simon, die bisweilen an die fragile Björk erinnert und mit ihrer Mischung kühler, aber poetischer Kompositionen mit elektronisch groovenden Sounds den richtigen Ton für diesen entspannenden und auch für Kinder bestens geeigneten Ausflug in die Welt der Kaiserpinguine liefert.

Thomas Volkmann

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Vorbei die Zeiten nüchterner Naturdokumentationen. Der hier gezeigte Lebenskreislauf der Kaiserpinguine, der größtlebenden Pinguinart, ist von einer poetischen Erzählweise untermalt. Der französische Dokumentarfilmer Luc Jacquet hat die Tiere auf ihrer Wanderung durch die Antarktis begleitet und einen faszinierenden Beitrag über die Schönheit und die Gewalt der Natur geschaffen. „Die Reise der Pinguine“ darf sich einreihen in all jene unterhaltsamen Naturfilmproduktionen, die uns jüngst in die Welt mikroskopisch kleiner Lebewesen, der Nomaden der Lüfte oder auch der weinenden Kamele entführten.

Eine nahezu unwirklich scheinende Naturkulisse eröffnet den Film: die Antarktis und ihre ganz ureigene Faszination. Bilder, die für sich sprechen. Bilder, die einmal mehr deutlich machen, dass keine von Menschenhand erbaute oder am Computer erstellte Kulisse die mitunter überwältigende Schönheit der Natur in sich bergen kann. Die schönsten Geschichten schreibt das Leben, die schönsten Bilder liefert es auch.

Das Bild ruht auf einem von dichten Eis umgebenen Wasserloch. Der erste Protagonist des Films betritt die Szenerie, bzw. gleitet er elegant aus dem Wasser und auf das sichere Eis. Es ist ein Kaiserpinguin und schnell folgen weitere. Eine Versammlung, die den Beginn einer langen und mühevollen Reise markiert. Ziel ist die eisige Kälte des antarktischen Festlands, die Brutstätte dieser possierlichen Tierchen.
 
Es dauert eine Weile, bis sich auch der letzte Pinguin eingefunden hat. Erst dann setzt sich die große Herde in Gang Richtung Südpool. Es liegen hunderte von Kilometern vor ihnen, doch dies ist lange nicht die größte ihrer Prüfungen.

Nicht allzu viele Opfer sind zu beklagen, als das Reiseziel erreicht ist. Auch aus anderen Richtungen strömen Artgenossen herbei. Jede Menge paarungsbereiter Pinguine, die ohne lange Umschweife ihre Balz beginnen. Nach erfolgreichem Werben bleiben die Pärchen für die Dauer von einem Jahr zusammen und sorgen dafür, dass ihre Art erhalten bleibt. Die nächste Generation wird das Licht der Welt unmittelbar vor Ort erblicken. In eisiger Kälte machen all die Pinguinbabys, die bis hierin überlebt haben, ihre ersten Schritte. Doch bevor der große Rückmarsch beginnt, muss der Nachwuchs zu Kräften kommen und sich noch so mancher Gefahr entgegenstellen.

Pinguine liefern einen hohen Unterhaltungswert. Ihre Erscheinung erinnert an einen Frackträger und ihr Watschelgang wirkt unfreiwillig komisch. Hinzu kommt die Faszination einer bizarren Eiswelt, in der sich diese Tiere bewegen. Nun wäre es jedoch ein bisschen einfach und sicherlich nicht ganz zeitgemäß, einzig auf die bildgewaltigen aber eben naturgemäß vorhandenen Anreize der Antarktis zu setzen. Und so tut „Die Reise der Pinguine“ auch weit mehr als das. Luc Jacquet setzt seinen Fokus auf eine kleine Pinguinfamilie und ihren Kampf ums Überleben. Den Tieren werden dabei Dialoge in den Schnabel gelegt und so menschliche Züge verliehen. Die Gefahr bei diesem Stilmittel in den Kitsch abzudriften ist groß, jedoch hier zu keinem Zeitpunkt geschehen. Die Worte klingen sanft, harmonisch und sind voller unaufdringlicher Poesie. Zur Gesamtstimmung trägt außerdem ein Soundtrack bei, der höchstens an einer Stelle des Films keine passende Untermalung darstellt. „Die Reise der Pinguine“ darf sich einreihen in all jene unterhaltsamen Naturfilmproduktionen, die uns jüngst in die Welt mikroskopisch kleiner Lebewesen, der Nomaden der Lüfte oder auch der weinenden Kamele entführten.

Gary Rohweder