Rex Gildo – Der letzte Tanz

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Unter den Hardcore-Fans rumorte es schon, als der Film noch gar nicht fertig war. Rosa von Praunheim beschäftigt sich mit Rex Gildo. Welchen Dreck wird er wohl auf das Idol werfen, das seine Homosexualität stets abstritt? Falsch gedacht. Der Vater der Schwulenfilme zeichnet auf seine verspielte Art ein liebevolles Porträt des einstigen Schlager- und Filmstarts. Freilich nicht, ohne mit seinem halbfiktionalen Dokudrama die Frage in den Raum zu stellen, ob das Versteckspiel nicht am Ende die Seele beschädigt.

Webseite: www.missingfilms.de/index.php/filme/10-filme-neu/365-rex-gildo-der-letzte-tanz

Deutschland 2022
Regie und Buch: Rosa von Praunheim
Darsteller: Kilian Berger, Ben Becker Kai Schumann

Länge: 88 Minuten
Verleih: Missing Films
Starttermin: 29. September 2022

FILMKRITIK:

Ein glücklicher Morgen, die Sonne scheint ins Zimmer: Rex Gildo (Kilian Berger) und sein deutlich älterer Manager Fred Miekley (Ben Becker) liegen noch im Bett. Der Jüngere schmiegt sich in den Arm seines Liebhabers. Doch plötzlich treten drei schwarz gekleidete Frauen auf. Sie zetern wie Furien und wie ein antiker Chor kommentieren sie die Handlung, wollen sie gar beeinflussen. „Stopp“ rufen sie, Rex habe nie mit seinem Manager im Bett gelegen. Und triumphieren gar: „Die Szene ist gestrichen“. Was sie natürlich nicht ist. Der Auftritt der Furien dient lediglich als kluger Schachzug, um Protesten gegen den Film zuvorzukommen, indem man sie von vornherein in ihn einbaut. Einige der Hardcore-Anhänger des 1999 gestorbenen Schlagerstars bestreiten bis heute vehement, dass ihr Idol schwul gewesen sein soll.

Ist Regisseur Rosa von Praunheim, Urvater der deutschen Schwulenbewegung, noch immer mit Fremd-Outing beschäftigt? Natürlich nicht. Gerüchte über Gildos Homosexualität gibt es seit Jahrzehnten, für das bloße Aufdecken seiner Neigung zu Männern hätte es den Film nicht gebraucht. Dem Regisseur geht es um mehr. Er überrascht mit dem Bekenntnis, in jungen Jahren sei Rex ein Idol von ihm gewesen. So ist sein Film auch eine Art verspätetes Geburtstagsgeschenk an den Sänger, der letztes Jahr 85 Jahre alt geworden wäre. Ein Geschenk freilich nicht ohne ironisch-spielerische Verpackung, mit einem knallbunten Bändchen darum. Wie in vielen seiner Filme tobt Rosa von Praunheim seine Lust an der Übertreibung aus. Zudem nimmt er in diesem Fall die Freiheit der Fiktion in Anspruch. Spielszenen (als älterer Rex fungiert Kai Schumann) paaren sich mit dokumentarischem Material: Archivszenen, alte Filme, aktuelle Gespräche unter anderem mit Rex‘ Weggefährtinnen wie Cornelia Froboess, Gitte Hænning, Vera Tschechowa oder Cindy Berger (von Duo „Cindy & Bert“).

Auf einer gewissen Ebene funktioniert das Dokudrama als klassische Filmbiografie, von den glücklichen Jahren, als Rex‘ heimliches Leben mit seinem Manager und Liebhaber Fred Miekley fast so glücklich war wie das Idyll seiner Schlager, über erste Krisen bis zum Tod des älteren Lebenspartners 1988, nach dem es für Rex bergab ging, mit Medikamentenabhängigkeit und Alkoholproblemen. Auf einer zweiten Ebene feiert der Film die lustvolle Parodie des Schlagerwesens, etwa im Stile eines Guildo Horn.

Und auf einer dritten, viel ernsteren Ebene, lässt er eine These im Raum schweben: Dass sich Rex viel Leid erspart hätte, wenn er irgendwann das Versteckspiel aufgegeben und sich geoutet hätte. Oder anders formuliert: Dass sich die Schlagerszene, ähnlich wie die Fußballszene, an den Schwulen versündigt hat. Denn wahrscheinlich hatte Rex‘ Manager, der von Ben Becker durchaus ambivalent und nicht durchgängig unsympathisch gezeichnet wird, Recht, wenn er ein Outing oder Erwischtwerden als tödlich für die Karriere seines Schützlings betrachtete. Erst in den späten 1990er Jahren begannen sich die ersten Schlagersänger zu outen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil sie spürten, dass sie das nach der Liberalisierung in den vorangegangenen Jahren nun wagen konnten.

Sehr zu seinem Vorteil formuliert der Film seine These nicht explizit. Er liefert sogar Material zu anderen Deutungen, etwa dass die Abwesenheit des Vaters und der frühe Tod der Mutter Spuren in Gildos am Ende depressiven Leben hinterlassen haben. Oder dass das Altern dem ewig jung bleibenden Frauenliebling zu sehr zusetzte. Aufschlussreich sind allerdings die Statements von Gitte Hænning und Cornelia Froboess. Nicht nur, dass sich Gitte über eine angebliche Liebesbeziehung zu Rex lustig macht. Sondern auch, wie „Conny“ über den Druck spricht, den die Branche auf die damals jungen Stars ausübte, damit sie auch wirklich in die heile Welt der Verdrängungs-BRD passten. Mit ständiger Selbstverleugnung konnte man diesen Druck nicht aushalten, sagt Froboess. Und: Beide Frauen emanzipierten sich von der Schlagerwelt. Vielleicht rettete es ihr Leben, dass sie die Badehose wieder auspackten und auch keinen Cowboy mehr als Mann wollten.

 

Peter Gutting