The Marksman – Der Scharfschütze

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„The Marksman“ startete im Januar in den USA und schaffte es prompt auf Platz 1. Der Mangel an Konkurrenz in einem Land mit mehrheitlich geschlossenen Kinos machte es möglich. Ansonsten hätte Robert Lorenz‘ konventionelle Geschichte um einen Witwer, der sich entschließt, einen mexikanischen Jungen vor den Häschern des Kartells zu retten, wohl kaum Staub aufgewirbelt. Hierzulande ist der Kinostart von Leonine geplant. Man setzt auf die Zugkraft von Liam Neeson.

Website: www.leoninedistribution.com

The Marksman
USA 2021
Regie: Robert Lorenz
Buch: Chris Charles, Danny Kravitz, Robert Lorenz
Darsteller: Liam Neeson, Kathryn Winnick, Sean Rosales
Länge: 108 Minuten
Verleih: Leonine
Kinostart: 2021

FILMKRITIK:

Jim Henson (Liam Neeson) ist Witwer und sitzt auf einem Berg Schulden, weswegen ihm die Bank auch sein Haus mitten im Nirgendwo in Arizona wegnehmen möchte. Bei einer seiner Fahrten durchs Land wird er Zeuge davon, wie Miguel und seine Mutter den Grenzzaun überwinden. Er hält sie auf, da tauchen aber auch schon Leute vom Kartell auf der mexikanischen Seite auf. Sie wollen die Frau. Henson greift zur Waffe, es kommt zum Schusswechsel, bei dem Miguels Mutter getötet wird – nicht jedoch, ohne Henson vorher das Versprechen abzunehmen, ihren Sohn zu schützen und zu ihrer Familie nach Chicago zu bringen. Henson hält sich an sein Versprechen, während die zwei von den mexikanischen Verbrechern verfolgt werden.

In schöner Regelmäßigkeit gibt Liam Neeson zu Protokoll, dass er nun mit Action-Filmen fertig sei. Seit dem Erfolg von „96 Hours – Taken“ im Jahr 2008 ist der Charakterschauspieler zum echten Action-Star geworden. So oft er aber auch behauptet, diese Art von Film hinter sich zu lassen, so oft kehrt er zurück, auch wenn in den letzten Jahren augenfällig ist, dass seine Action-Filme mit einem Hauch von Drama akzentuiert sind. So würde Neeson es wahrscheinlich sehen.

Hier ist der gehaltvolle Stoff des Films das traurige Witwer-Dasein der Hauptfigur, der Kommentar darauf, wie in einem Land weitgehend ohne Gesundheitsversicherung jede Krankheit in den Ruin führen kann, und ein schmaler Diskurs über illegale Immigration. Das alles streift „The Marksman“ natürlich nur. Es geht dem Film nicht wirklich um ernste Themen, er nutzt sie nur als Aufhänger. Dass Neesons Figur von Trauer gramgebeugt ist? Nur ein Vehikel, die Figur authentischer zu machen, während sie sich in einer Geschichte wiederfindet, die man schon tausendfach so gesehen hat.

Umso überraschender ist es, dass gleich drei Autoren vonnöten waren, um die Geschichte des Films zu entwickeln. Denn sie wirkt von Anfang bis Ende nur wie ein Derivat größerer und erfolgreicherer Filme. Im Grunde muss man sich fragen, was Neeson an „The Marksman“ angesprochen haben mag – vom Gagenscheck abgesehen.

Der Film ist dabei weder Fisch noch Fleisch. Er wird zwar als Action-Film vermarktet, über weite Strecken ist er aber eigentlich nur ein Road Movie mit leicht dramatischem Touch. Hin und wieder kommt es dann zu Action-Spitzen, die schön umgesetzt sind, aber auch reichlich unspektakulär daherkommen.

Wer Neeson in einem Drama sehen will, für den ist der Film nicht gehaltvoll genug, wer ihn in Action sehen will, wird enttäuscht, weil es gar nicht so viel davon gibt, wie man bei einer Geschichte wie dieser erwarten würde. „The Marksman“ ist einfach nur Dutzendware, die eigentlich unter dem Niveau von Liam Neeson ist. Er muss sich hüten, um karrieristisch nicht den Weg von John Travolta, Nicolas Cage und Bruce Willis einzuschlagen. Ein Schauspieler von seinem Kaliber sollte einfach wissen, wann Schluss ist, in Streifen wie „The Marksman“ mitzuspielen.

Peter Osteried