Unter Kontrolle (Doku 2010/2011)

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Die Faszination und das Grauen der Technik – der Blick in Atomkraftwerke und in das Leben mit und für Kernenergie bietet nicht nur überraschende und aufschlussreiche Einsichten, sondern auch die Bekanntschaft mit Menschen, deren Beruf es ist, das Nichtbeherrschbare zu beherrschen. Ein eminent wichtiger, unterhaltsamer und bestechend gut gemachter Dokumentarfilm zum Thema Kernenergie in Deutschland.

Auf der Website gibt es auch Lehrerinformationen für Schulvorstellungen:

Webseite: www.unterkontrolle-film.de

Deutschland 2011
Regie, Buch, Recherche: Volker Sattel in Zusammenarbeit mit Stefan Stefanescu
Kamera: Volker Sattel
Länge: 98 Minuten
Verleih: farbfilm verleih GmbH, Vertrieb: 24 Bilder Filmagentur
Kinostart: 26.05.2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Im Forum der Berlinale 2011 feierte Unter Kontrolle die viel beachtete Weltpremiere. Inzwischen gab es ein Erdbeben in Japan, einen Tsunami und: Fukushima. Die Welt hat sich verändert durch eine Katastrophe, die vielleicht das Ende der Ära Atomkraft bringen wird. Umso wichtiger, dass nun eine filmische Auseinandersetzung mit dem brisanten Thema zur Verfügung steht, die ohne jeden Pathos von Bildern und Originalkommentaren lebt. Vermutlich wird es nie wieder möglich sein, die technischen Anlagen und die Menschen rund um den Betrieb eines Kernkraftwerks so konkret zu zeigen. Die Kraftwerksbetreiber zeigten sich den Filmemachern gegenüber sehr kooperativ, wohl eine Auswirkung der Verhandlungen zur Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke: Man wollte Transparenz zeigen.

Doch ist dies keinesfalls ein vordergründig politischer Film, in dem eindeutig Position bezogen wird und auch kein Lehrfilm über die Arbeit im AKW. Im Gegenteil: In angenehm ruhigen, unaufgeregten Bildern, ohne musikalischen Soundtrack und ohne jeden Kommentar zeigt Volker Sattel den atomaren Alltag in Deutschland. Dabei lernt man vor allem die Menschen kennen, die mit der Technik umgehen. Man sieht AKW-Angestellte in Konferenzen und an ihren Arbeitsplätzen, Männer in Schutzkleidung, Pressesprecher und Wissenschaftler. In einzelnen Stationen werden sämtliche Aspekte des Umgangs mit Kernkraft gezeigt: der laufende Betrieb, das Training für den Ernstfall, der Umgang mit Strahlung und Strahlenschutz, der Rückbau und die Verwaltung der Altlasten, die Endlagerung. Dramaturgisch kristallklar gegliedert wird auf diese Weise eine Geschichte erzählt, in der sich Gefahren und Risiken gleichsam wie von selbst enthüllen.

Zusätzlich zu den Informationen gibt es Bilder von geradezu bestürzender Schönheit: So gleitet die Kamera langsam und beinahe liebevoll über einen glitzernden Brennstab; das wirkt hoch ästhetisch und bei aller Faszination bedrohlich. Andererseits erscheint vieles absurd oder sogar komisch, wie zum Beispiel das Kettenkarussell mit kreischenden Rummelplatzbesuchern im Kühlturm des nie eröffneten Schnellen Brüters in Kalkar. Damals verhinderte die Katastrophe von Tschernobyl die Inbetriebnahme. Heute befindet sich dort ein Vergnügungspark. Und vielleicht ist das die Zukunft: fröhlich angemalte Kühltürme mit Kinderspielplätzen im Inneren. Aber nur an der Oberfläche – im Untergrund liegen die strahlenden Überreste einer vielleicht schon bald überholten Technologie. Denn so schnell werden wir sie nicht loswerden, die AKW‘s, selbst wenn wir wollen. Zumindest nicht für die nächsten paar hunderttausend Jahre. Diesen Film hingegen sollte man so schnell wie möglich sehen, obwohl man hier eine Laufzeitverlängerung geradezu herbeisehnt.

Gaby Sikorski

Atomkraft. Die Energiequelle, die den Menschen derzeit große Sorge bereitet. Es wird immer deutlicher und einleuchtender, dass die Nuklearenergie nicht die für alle Zukunft endgültige und brauchbare Energie wird sein können.

Aber wie lange, wie vernünftig, wie technisch machbar bis zum Ausstieg? Wohin mit dem Atommüll? Wie mit den Ängsten umgehen? Wie mit der Vernunft umgehen? Im Augenblick ist nur eines gut und sicher: Die erbitterte Diskussion zwischen den Gegnern und den Befürwortern der Kernenergie müssen und werden die Lösung des Problems sicherer und schneller voranbringen.

Ein Dokumentarfilm wie der vorliegende kann hier von Nutzen sein. Der Regisseur besuchte mit seinem Team in einer wohl langen Vorbereitungszeit Atomkraftwerke in Deutschland (übrigens auch das nie in Betrieb genommene österreichische Zwentendorf), einschließlich der Baustellen wie Kalkar, Stendal oder Greifswald, dazu Schulungszentren, Forschungsreaktoren Atommülllager und Behörden.

Es wird nicht schnell über etwas hinweg gegangen, sondern Dutzende wichtiger technischer Details werden vorgeführt. Von der täglichen Kontrollkonferenz bis zur Dekontamination und zur Sicherheitskleidungswäscherei, vom Reaktorkern bis zum jahrelangen Rückbau aufgegebener Meiler, von den wichtigen Kühlsystemen bis zur Kantine der jeweils paar hundert Mitarbeiter, alles ist dabei.

Erklärtes oberstes Gebot: die Sicherheit. Indem Film wird darauf eine ganze Menge verwendet, laufend werden Kontrollverfahren gezeigt. Wahrscheinlich stellen sich die Betreiber hier in ein zu gutes Licht! Erlebt man im Film, wie viel geprüft und überwacht wird, könnte man meinen, es passiere nie etwas. Aber es passiert eben doch.

Kommentar gibt es keinen – ein objektiver Vorteil. Ingenieure, Strahlenschützer, Wissenschaftler, Risikoforscher, Schulungsleiter, Pressesprecher kommen zu Wort.

Ein mehr oder minder sachlicher, nützlicher, gerade in der jetzigen Zeit beachtenswerter Film. Lösungsansätze werden nicht aufgezeigt oder angeschnitten. Die müssen nun wohl so schnell wie möglich gemeinsam gefunden werden.

Thomas Engel