White Bird

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Schon 2021 wurde „White Bird“ gedreht, der erste Starttermin im Jahr 2022 verstrich, der dritte auch. In den USA kommt er nun im Herbst, hierzulande darf man den neuen Film von Marc Forster schon im April sehen – und sehenswert ist der Film auf jeden Fall. Er erzählt von einer Großmutter, die ihrem Enkel eine Lektion erteilen will, indem sie ihm aus ihrem Leben erzählt, als sie zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs vor den Nazis versteckt wurde.

Website: https://www.leoninestudios.com/news/artikel/neuer-kinostart-white-bird-ab-11-april-2024-im-kino-731

White Bird
USA 2024
Regie: Marc Forster
Buch: Mark Bomback
Darsteller: Gillian Anderson, Helen Mirren, Olivia Ross
Länge: 120 Minuten
Verleih: Leonine
Kinostart: 11. April 2024

FILMKRITIK:

Julian wurde der Schule verwiesen, weil er einem anderen Jungen gegenüber grausam war. In seiner neuen Schule will er nicht anecken, weder gut noch schlecht sein, einfach nur normal. Das sagt er seiner Großmutter. Das ist die Lektion, die er gelernt hat. Aber seine Großmutter findet, dass das die falsche Lektion ist, und darum erzählt sie ihm aus ihrem Leben. Etwas, das sie zuvor nicht getan hat. Im Jahr 1942 lebte das jüdische Mädchen in einer französischen Stadt und entkam nur durch die Hilfe des aufgrund einer Polio-Erkrankung behinderten Julien den Häschern der Nazis. Dessen Familie versteckte sie.

„White Bird“ ist insofern ungewöhnlich, weil der Film tatsächlich eine Fortsetzung ist – von „Wunder“ aus dem Jahr 2017. Dort spielte Bryce Gheisar Julian, der einen anderen Jungen drangsaliert. In „White Bird“ wird ihm nun eine weit wichtigere Lektion erteilt, indem er von einem anderen Julien erfährt. Dem, nach dem er benannt wurde und der für seine Großmutter Sara eine enorme Bedeutung hatte. Er war ein Junge, der den Hass der anderen kennen gelernt hat, der aber auch den Mut fand, in einer Zeit gütig zu sein, in der Güte einen das Leben kosten konnte.

Der Großteil von „White Bird“ spielt in den Jahren 1942 bis 1944, unterbrochen nur von kurzen Einschüben, wenn die Großmutter mit ihrem Enkel spricht, und immer wieder mit Helen Mirren als Erzählerin. Es ist die Geschichte einer Rettung in einer Zeit, in der nur wenige Zivilcourage bewiesen. Zugleich ist es die Geschichte von Sara Blums Familie, die zu lange gewartet hat, um zu versuchen, dem Unheil zu entgehen. Vor allem aber ist dies eine Geschichte über Menschlichkeit, die selbst in dunkelsten Zeiten mit einem Hoffnungsschimmer strahlt. Weil Menschen gut sein können, so wie sie hasserfüllt und böse sein können. In „White Bird“ gibt es alles – die Hassenden und die Helfenden, aber auch die Uninteressierten. Selbst kleine Nebenrollen werden hier feinfühlig dargestellt, wie die Lehrerin, die sich entscheidet, die von der Wehrmacht abtransportierten jüdischen Kinder zu begleiten.

Die Schauspieler sind durch die Bank gut, besonders erwähnenswert sind jedoch Orlando Schwerdt und Ariella Glaser, die erstaunlich gut spielen. Forster hat ein sicheres Händchen bewiesen, für die beiden Kinderrollen, mit denen alles steht und fällt, talentierte Jungdarsteller zu finden. Er hat mit sicherer Hand inszeniert, niemals kitschig, aber doch gefühlvoll – die Geschichte zweier Leben, die miteinander verbunden sind und doch vom Schicksal hart geprüft werden. Vor allem aber ist „White Bird“ ein Film, der das Gute im Menschen heraufbeschwört, das in dunkler Zeit wichtiger denn je ist, und er warnt davor, die Geschichte zu vergessen, weil diejenigen, deren Leben zu kurz waren, dazu mahnen, sie nicht zu wiederholen.

Peter Osteried