Zum Tod meiner Mutter

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„Totem“, der Abschlussfilm von Jessica Krummacher, lief 2011 als einziger deutscher Beitrag im Programm der Filmfestspiele von Venedig. Krummachers zweiter Spielfilm „Zum Tod meiner Mutter“ feierte seine Weltpremiere 2022 in der jungen Berlinale-Sektion Encounters, die sich als „Kontrapunkt und Ergänzung des Wettbewerbs“ versteht. Das konzentriert inszenierte und zwischenmenschlich sehr intensive Drama beruht auf Krummachers eigenen Erfahrungen bei der Sterbebegleitung ihrer Mutter.

Website: www.grandfilm.de

Deutschland 2021
Regie & Drehbuch: Jessica Krummacher
Darsteller: Birte Schnöink, Elsie de Brauw, Susanne Bredehöft, Christian Löber, Hede Beck

Laufzeit: 135 Min.
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 9. Juni 2022

FILMKRITIK:

Julianes Mutter Kerstin ist schwer und ohne Heilungschance erkrankt. Erst 64-jährig liegt sie in einem katholischen Pflegeheim, kann sich kaum rühren – und will sterben. Weil Sterbehilfe keine Option ist, stellt Kerstin das Essen und Trinken ein. Bekannte und Verwandte verabschieden sich, Juliane begleitet das langsame Verschwinden. „Vielleicht schläft sie dann einfach ein,“ hofft die Tochter.

Das Drehbuch hat Jessica Krummacher vor dem Hintergrund ihres eigenen Erlebens beim Sterbeprozess ihrer Mutter verfasst. Daran mag es liegen, dass ihr berührend wahrhaftige Momente im Sterbezimmer gelingen, wo die Ohnmacht wie ein Schleier über dem Abschied liegt. Kerstin bekommt Morphium gegen die Schmerzen, Juliane trauert, trinkt, spricht mit Freunden über die harte Entscheidung ihrer Mutter oder die Planung der Beerdigung. Gespielt werden Juliane und Kerstin von Birte Schnöink und Elsie de Brauw, die die Verzweiflung mit tonloser, matter Aussprache vermitteln.

Ästhetisch arbeitet das intime Drama mit klar aufgeteilten Bildern. Krummacher nutzt die filmische Gestaltung sehr wohlüberlegt, um das Innere nach außen zu kehren. Die Sequenzen sind oft in nur zwei oder drei lange Einstellungen aufgelöst, das Ensemble mitunter als Tableau im Bild gruppiert. Die von Gerald Kerkletz („Kater“) geführte Handkamera beobachtet die Figuren in häufig statischen und völlig schnörkellosen Aufnahmen mit starker dokumentarischer Wirkung. Die Form passt perfekt.

„Zum Tod meiner Mutter“ verhandelt existentielle Themen wie selbstbestimmtes Sterben und tiefe Trauer, ist aber kein distanzierter Themenfilm, der nur inhaltlich funktioniert. Man spürt wie grausam es für Juliane ist, das Leid der Mutter mitanzusehen. „Die Verwandlung meiner Mama in eine lebende Leiche ist vollzogen,“ sagt sie. „Es gruselt mich. Es tut mir leid, dir das zu sagen, Mama: Ich wünsche dir nichts sehnlicher als deinen Tod.“

Christian Horn