Grand Budapest Hotel

Zum Vergrößern klicken

In der kunterbunten Nonsens-Komödie „Grand Budapest Hotel“ nimmt Regie-Star Wes Anderson („Die Tiefseetaucher“, „Moonrise Kingdom“) den Zuschauer mit auf eine skurrile, temporeiche und überaus kurzweilige Zeitreise in einen fiktiven osteuropäischen Kurort zwischen den Weltkriegen. Der diesjährige Eröffnungsfilm der Berlinale funktioniert als fantasievoll bebildertes Feel-Good-Märchen und beeindruckende Star-Revue. Neben vielen Weggefährten stand auch der Brite Ralph Fiennes erstmals in einem Wes-Anderson-Film vor der Kamera. Witz, Esprit und die für Anderson so typische Melancholie zeichnen die größtenteils in Deutschland abgedrehte Produktion aus.

Webseite: www.grand-budapest-hotel.de

OT: The Grand Budapest Hotel
USA/Deutschland 2013
Regie & Drehbuch: Wes Anderson
Darsteller: Ralph Fiennes, Tony Revolori, Jeff Goldblum, Adrien Brody, Saoirse Ronan, Tilda Swinton, Edward Norton, F. Murray Abraham, Willem Dafoe, Léa Seydoux, Bill Murray
Laufzeit: 100 Minuten
Verleih: Fox Searchlight
Kinostart: 6.3.2014

PRESSESTIMMEN:

"Typischer Wes Anderson-Humor im Geiste der 'Royal Tenenbaums', ausschweifend, unendlich phantasievoll, wunderschön."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Europa zwischen den Weltkriegen. In der fiktiven ungarischen Republik Zubrowka steht das renommierte „Grand Budapest Hotel“, eine Institution in seiner Branche und Schauplatz zum Teil abenteuerlicher Episoden. Genau dort hat Wes Anderson seinen neuen Film angesiedelt, der wie unter einem Mikroskop auf seine Figuren und ihre skurrilen Verwicklungen hinabblickt. Erzählt wird die Geschichte von Gustave H. (Ralph Fiennes), dem legendären Concierge des Grand Budapest, und seines neuen Lobby-Boys Zero Moustafa (Tony Revolori). Zusammen sind beide ein mehr als ungewöhnliches Lehrer-Schüler-Gespann, das Hals über Kopf in einen mysteriösen Kriminalfall stolpert und fortan von den Behörden argwöhnisch beobachtet wird. Nach dem offenbar gewaltsamen Tod der schwerreichen Madame D. (Tilda Swinton) vermacht diese ihrem treuen Freund Gustave ein wertvolles Gemälde. Die enge Verbindung missfällt vor allem Dmitri (Adrien Brody), dem Nachkommen der adeligen Dame, der seinen Bluthund (Willem Dafoe) auf Gustave und Zero hetzt. Es ist der Auftakt eines absurden, temporeichen Katz-und-Maus-Spiels, in dem immer neue Figuren und Wendungen auftauchen.
 
Es bedarf nur weniger Einstellungen, um einen Film von Wes Anderson eindeutig als solchen zu identifizieren. Die liebevoll verschrobene Handschrift des 44-jährigen Komödienspezialisten ist einzigartig und von verspielten Schnörkeln durchzogen. Seit seinem internationalen Durchbruch mit „Rushmore“ blieb er sich und seinem ungewöhnlichen, stets etwas verträumten Stil treu. Gleiches gilt für Gesichter vor der Kamera. Anderson-Filme ähneln bisweilen einem Klassentreffen, wo sich wie selbstverständlich alte Weggefährten wie Jason Schwartzman, Bill Murray oder Owen Wilson in Gastrollen abwechseln. Alle drei haben auch im „Grand Budapest Hotel“ eingecheckt, wobei man nicht nur ihnen die Freude an Andersons doppelbödigem Nonsens deutlich anmerkt. Der mit Stars gerade verschwenderisch besetzte Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale lebt zunächst von der Spielfreude seines Ensembles und der von Anderson perfektionierten Reizüberflutung im Stakkato-Rhythmus.
 
Dieser orientiert sich mit seinem überdrehten Tempo, seinen Slapstickeinlagen und bewusst künstlichen Actiontableaus an den zum Teil noch als Stummfilm abgedrehten Komödien der 1920er- und 1930er-Jahre. Die Verfolgungsjagd auf der Schneepiste und durch den anschließenden Bobkanal ist ein besonderer Spaß, den sich Anderson erlaubt. Der kindlich naive Charme seiner früheren Arbeiten lässt sich ebenso wie Andersons wunderbar entrückter Weltschmerz auch in „Grand Budapest Hotel“ in vielen Einstellungen entdecken. Hinzu kommt der dunkle Schatten des Zweiten Weltkriegs und mit ihm eine düstere Melancholie, die in den Werken des von Anderson verehrten Wiener Schriftstellers Stefan Zweig allgegenwärtig war. Dessen literarisches Werk habe ihm bei der Ausarbeitung seines ersten europäischen Filmprojekts als Inspiration und Ideenvorlage gedient. Vor allem Zweigs Blick für die Tragik der menschlichen Existenz ist hier trotz der vordergründig heiteren Erzählhaltung als Grundrauschen allgegenwärtig.
 
Dass Andersons kunterbunte Star-Revue nun die Berlinale eröffnen durfte, ist für das Festival ein Glücksfall. Mit mehr Witz und Esprit kam das Programm schon lange nicht mehr aus den Startlöchern. Mehr noch: Die größtenteils in Görlitz und in den Babelsberger Studios abgedrehte deutsch-amerikanische Ko-Produktion – die grandiose Jugendstil-Kulisse des „Grand Budapest“ beherbergte zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein Kaufhaus – hebt den Filmstandort Deutschland abermals sichtbar auf internationales Niveau. Für den Zuschauer, der sich von diesem cineastischen Wirbelwind zunächst einmal fabelhaft unterhalten fühlen darf, mag dieser Aspekt eher sekundär sein. Er kann sich ganz in Andersons Märchen verlieren und das surreale „Zauberberg“-Flair genießen.
 
Marcus Wessel